|
schandgeschmiert 1958/1959
Noch einmal: eine Abendgesellschaft. Die Damen in langen Kleidern, die Herren in Schwarz. Man tanzt. Aber die Tanzenden bewegen sich in großen Pfützen Wassers. Bei jedem Schritt spritzt es.Schuhe und Kleider werden naß. Das ist also die Metapher: Ein Bildgleichnis für die Unmöglichkeit, eine gemeinsame Bewegung (Tanzen) mit äußeren Umständen (Wasser) in Einklang zu bringen. Rudolf Ziegenbein, Pößneck, nach Feierabend: Wer hat denn meiner Großmama das Holzkorsett zersägt, und hat es ihr aus Schabernak aufs Fensterbrett gelägt? Oder: Ich sitze auf dem Abort rand und rauch `ne Peter Stuyvesant. Und was dann hinten runterfällt, das ist der Duft der großen weiten Welt. Was das Gerät mißt, ist die sogenannte elektrodermale Reaktion: die winzige Veränderung des Hautwiderstandes. Sie ist seit langem bekannt, der Lügendetektor etwa versucht sie sich zunutze zu machen. Ob sie mit der Schweißabsonderung zu tun hat, ist bis heute noch nicht geklärt. Fest steht nur dies: Wenn wir erregt sind, nimmt die Leitfähigkeit der Haut zu, nicht ihr elektrischer Widerstand, und zwar prompt und selbst bei Erregungen, die so gering sind, daß wir selber sie kaum wahrnehmen. Ob wir es wollen oder nicht: Unsere ganze Hautoberfläche verrät, ob in der Seele etwas los ist. Ich erinnere mich: Mein Vater
fotografiert die Familie. Hände aus den Taschen. Beine aneinander. Kopf hoch. Langes
Warten auf die Erlösung durch den Auslöser. Noch keine Entspannung. Immer noch Blick
gegen die Sonne. Mutter ist schuld, wenn Vater etwas mißlingt. |
logbuch 1 |
|
