Och dat, mi Hätz, es kölsch"


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STADT REVUE Kölnmagazin – August 06 – LITERATUR - Seite 73

Och dat, mi Hätz, es kölsch

Besser als Duftwasser: Kölner Lyrik

VON MAIKE STEUER

Hölderlin hat diese Stadt nie bedichtet, auch Petrarca zog schnell weiter und romantisch wurde der Rhein erst weiter flussaufwärts. 1980 sprach Herausgeber Manfred Franke deshalb gar von der „lyrischen Wirkungslosigkeit“ Kölns. In seiner neuesten Anthologie „47 & 11 – Echt Kölnisch Lyrik“ versammelt Herausgeber und Lyriker Axel Kutsch nun 47 und elf (zumeist aktuelle) Köln-Gedichte, um den Gegenbeweis anzutreten. Das Cover: bewusst plakativ. Goldfarben prangt das leicht verfremdete Logo des Duftwasserfabrikanten vor türkisblauem Himmel, darunter die Postkartenkulisse von Dom und Martinsviertel. Wer nun heimatselige Schunkellyrik à la „Mer loße d’r Dom en Kölle“ erwartet, erwartet falsch. „Kölle ist unterwegs nach Straßen, die nicht wiederkehren“: Die Zeile aus Matthias Buths Eingangsgedicht „Köln – Köln?“ gibt die Richtung vor. Gedichte als Minutenexpeditionen in Gelände und Geschichte einer Stadt, auf der Suche nach ihren Brüchen und Widersprüchen, aber auch kollektiven Träumen. Anders als frühere Sammlungen legt Kutsch den Schwerpunkt bewusst auf die Gegenwart. So sind die meisten Gedichte eigens für dieses Buch verfasst worden. Von Jürgen Becker und Gisela Hemau über Namen wie Rathenow, Leitner und Helminger spannt sich der Bogen bis hin zur jungen Lyrik eines Björn Kuhligk, Adrian Kasnitz oder René Hamann. Weiteres Plus: die Autorenkommentare zu jedem Gedicht, die das Reflexionspotential der Sammlung beträchtlich erweitern. Zwar vermisst man wichtige Namen wie Beyer, Gräf und Hummelt, doch überzeugt die Anthologie nicht nur durch den Aufbau, sondern auch die Qualität der Gedichte. Dies gilt ebenso für die Mundartbeiträge. Auch sie verweigern sich kölschseliger Stadtverehrung und rauen das lyrische Gesamtbild weiter auf. Wie Rolly Brings’ Rückblick auf die NS-Zeit in „Och dat, mi Hätz, es kölsch“ oder Trude Herrs melancholisches Gedicht „Die Stadt“. Schließlich hat Axel Kutsch die 47 Gedichte der Lebenden durch elf Klassiker verstorbener Autoren ergänzt: Neben Kopischs Heinzelmännchen-Saga finden sich Verse von Goethe, Heine oder R. D. Brinkmann. Insgesamt ein klug komponiertes Kompendium, das das Zeug zum Klassiker hat und das literarische Psychogramm einer Stadt liefert, „die in ihren schnellen, vielleicht auch flüchtigeren Schnitten mehr an Gegensätzlichem in sich zu vereinigen scheint als andere deutsche Städte“ (Christoph Leisten).

Roberto di Bella

Axel Kutsch (Hg): 47 & 11 – Echt Kölnisch Lyrik. Verlag Landpresse 2006 144 S. 20 €

Lesung: 19.10.2006 [hier klicken]

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