Hooligans
(c) by Frankfurterter Allgemeine Sonntagszeitung

FRANKFURTER ALLGEMEINE SONNTAGSZEITUNG – 2. NOVEMBER 2014 – NR. 44 – POLITIK – SEITE 3

Hooligans

Vor einer Woche gab es Randale in Köln.
Was waren das für Typen?

© Von Philip Eppelsheim

Am vergangenen Sonntag demonstrierte eine Masse aus Tätowierten, Kahlköpfigen, Aufgepumpten, Bomberjacken und Unscheinbaren in Köln.
Sie alle waren dem Aufruf des Netzwerks „Hooligans gegen Salafisten“ (Hogesa) gefolgt.
Rund 4800 Mann und ein paar Frauen.
Eine fiel besonders auf, weil auf ihrem T-Shirt „Auschwitz-University“ stand.
Die Demonstration endete bekanntlich in Krawall.
Besoffene und Aggressive randalierten, schmissen Feuerwerkskörper und Flaschen.
Die Polizei antwortete mit Schlagstöcken, Pfefferspray und Wasserwerfern.
44 Polizisten wurden verletzt.
Hinterher hieß es bei der Polizei, einen solchen Gewaltausbruch habe man seit etlichen Jahren nicht erlebt.
Und manch ein Polizist, der im Einsatz gewesen war, gab offen zu, dass er Angst gehabt hatte.
Dabei hatte Hogesa noch vor der Demonstration verkündet, man wolle auf die Straße gehen, um „für unser Land, unsere Mitmenschen, unsere Kultur und unsere Freiheit einzustehen“.
Weder „Polizei noch Andersgläubige“ seien Feinde.
Auch distanziere sich Hogesa „ganz klar von jeder rechten Partei“, wolle „weder rechte noch linke Chaoten“ haben.
Und stolz ließen die Hooligans verlauten, sie hätten mittlerweile so viele Sympathisanten, „dass wir einen kompletten Querschnitt durch die Gesellschaft gezogen haben“.
Hooligans aller Clubs in Deutschland und die „Bürger unseres wundervollen Landes“ Seite an Seite.
Das klang doch nett.
Gemeinsam gegen Salafisten, gegen IS und Dschihad.
Im Internet, wo das Netzwerk warb, schnellten die „Gefällt-mir-Klicks“ in die Höhe, Zehntausende waren es am Tag der Demonstration.
Dabei musste ein Narr sein, wer die Mär vom netten Hooligan und dem Querschnitt der Gesellschaft wirklich geglaubt hatte.
Ein Hooligan braucht Feinde, und er braucht Gewalt.
Das macht ihn schließlich erst zum Hooligan.
Und wer sich selbst Hooligan nennt, weiß das.
Er ist ein Schläger – da kann er in seinem sonstigen Leben ein noch so liebevoller Vater sein.
Ein Hooligan ist geil auf Gewalt.
Geil auf Gewalt“ lautet auch der Titel eines Buches des Publizisten Bill Buford.
Der schildert darin seine Erlebnisse mit englischen Hooligans, die er auf ihren Krawalltouren quer durch Europa begleitete.
Er beschreibt, was die Gewalt für die Hooligans bedeutete:
„Es war eine Erregung, die an etwas Größeres, an ein transzendentes Gefühl grenzte – zumindest Freude, aber eher wohl etwas wie Ekstase … Neben mir sagte jemand, er sei glücklich, sehr glücklich, er könne sich nicht daran erinnern, jemals so glücklich gewesen zu sein … Es war ein seltsamer Gedanke: Da glaubt also einer ausgerechnet in diesem Moment, kurz nach einer Straßenkeilerei, eines der ungreifbarsten Dinge im Leben erhascht zu haben.“
Dazu passt, was der englische Ex-Hooligan John King über die Gefühle vor einer Schlägerei schreibt:
„Ich komme mir vor wie ein Kind, voller Leben, und ich kann’s kaum erwarten, dass es losgeht, nichts kann mir was anhaben.“
Wegen dieses Gefühls prügeln sich die Hooligans Woche für Woche.
Seit die Sicherheitsmaßnahmen in den Stadien verschärft wurden, schlagen sie sich oftmals nicht mehr direkt auf den Fußballtribünen, sondern in Wäldern, auf Feldern und Wiesen.
Dort, wo es keiner mitbekommt.
Die Videos der Kämpfe sind im Internet zu sehen.
Unzählige Trophäen.
Wie in einer mittelalterlichen Schlacht stürmen die Hooligans los, prallen aufeinander.
Nach wenigen Minuten liegen die Verlierer am Boden.
Und die Sieger jubeln.
Um Fußball geht es bei den Schlägereien übrigens nicht.
Wie sagt John King:
„Wenn du Fußballmagazine sammelst, bist du außerhalb des Fußballs genauso. Wenn du durchgeknallt bist, verwandelst du dich nicht in einen Samariter, sobald du das Stadion verlässt. Über die Arschlöcher kann ich nur lachen, die dauernd etwas von Fußballgewalt faseln, obwohl die gar nichts mit Fußball zu tun hat. Das sieht doch jeder, wenn er sich mal die Zeit nimmt und genau hinguckt.“
Hooligans selbst sagen, jeder kämpfe für seinen Verein, für seine Stadt.
Viele trainieren für die Schlachten, machen Kampfsport, stemmen Gewichte.
Sie bezeichnen ihre Gewalt als Hobby, als Sport, bei dem man seine Kräfte mit Gleichgesinnten messen kann.
Man verabredet sich für die Prügeleien, bespricht die Anzahl der Kämpfer.
Ein bisschen „Fight Club“ auf der Suche nach dem „Kick“.
Ob man es nun Ekstase, Glück oder Kick nennt – dieses Gefühl war auch in den Gesichtern der randalierenden Hooligans in Köln zu sehen.
Hinterher behaupteten die, sie hätten sich doch nur gewehrt.
Auf einem Foto war es besonders deutlich:
Ein Polizeitransporter liegt auf der Seite, umgeschmissen vom Mob.
Die Randalierer waren nicht einmal maskiert.
So mächtig fühlten sie sich.
Ein schmächtiger Mann posierte neben dem Wagen.
In dem Moment ein Sieger.
Er hatte den Mund aufgerissen, seine Zunge herausgestreckt.
Pures Glück.
So viel also zum netten Hooligan.
Bleibt der Querschnitt der Gesellschaft.
Auch wenn es den so gern beschriebenen Hooligan aus guter Familie, mit guter Bildung und gutem Abschluss hier und da gibt, die meisten kommen aus zerrütteten Familien.
Bei vielen soffen die Eltern.
Viele hängen irgendwie mit dem Rotlicht-, Rocker-, oder Neonazimilieu zusammen.
Das ist auch bei Hogesa so.
Trotz der öffentlichen Bekundung, man wolle mit „rechten Parteien“ und mit „rechten Chaoten“ nichts zu tun haben.
Das Netzwerk der Hooligans entstand schon vor Monaten in einem Internetforum mit dem Titel „Weil Deutsche sich’s noch trauen“.
Darin schmiedeten etwa 300 Hooligans ihre Allianz.
Die Hooligans schrieben im Forum Sätze wie:
„egal ob german defence, hooligan, normalo, identitaer, pro nrw oder npd … wir haben die gleichen ideale und ziele.“
Nach Distanzierung von „rechten Parteien“ klang das nicht.
Und es gab viele solcher Sätze.
Die Demonstration in Köln meldete dann Pro-NRW-Vize Dominik Roeseler an, der eng verbunden mit der Hooliganszene sein soll.
Auf der Bühne spielte die Band „Kategorie C“ ihr neues Lied:
„Hooligans gegen Salafisten,
wir wollen keinen Gottesstaat.
Hooligans gegen Salafisten,
sonst wird Deutschland ein Massengrab.
( … )
Heute schächten sie Schafe und Rinder,
morgen vielleicht schon Christenkinder.“
Sänger Hannes Ostendorf rief den Demonstranten zu:
„Gemeinsam gegen diesen Abschaum. Salafisten, Kindermörder, Frauenschlächter – wollen wir nichts mit zu tun haben.“
Der Verfassungsschutz sieht bei der Band von Ostendorf „Anhaltspunkte für den Verdacht einer rechtsextremistischen Bestrebung“.
Die Band sei „besonders wegen ihrer gewaltverherrlichenden Lieder auch in der rechtsextremistischen Skinhead- und Neonazi-Szene beliebt“.
Sie sei ein „Bindeglied zwischen der Hooliganszene und dem Rechtsextremismus“.
Das war noch lange nicht alles.
Unter den Demonstranten waren zudem 500 polizeibekannte Rechtsextreme, nicht wenige marschierten mit Hitlergruß und „Ausländer raus“-Rufen.
Zu den Rechtsextremen gehörte zum Beispiel Siegfried Borchardt, genannt SS-Siggi.
Er ist Mitglied in der Partei „Die Rechte“ und in der Hooligan-Gruppe Borussenfront.
Außerdem dabei der Landesvorsitzende der NPD in Thüringen, Patrick Wieschke.
Sowohl Borchardt als auch Wieschke hatten eifrig für die Demo geworben.
So schrieb Wieschke auf Facebook:
„Wir Deutschen müssen zusammenstehen, wenn wir nicht vom Islam erobert werden wollen. Deshalb bin ich heute hier und ich hoffe, dass es mir viele gleichtun. Nein zu Islamisierung und Überfremdung Deutschlands und Europas!“
Auf Facebook wird schnell klar, wer mit wem befreundet ist und wer welche Nachrichten und Videos veröffentlicht oder mit Freunden teilt.
Ein Beispiel:
Der Hogesa-Sprecher Andreas Kraul rief in Köln die Demon-stranten auf, friedlich zu bleiben.
Schließlich wisse doch jeder Hooligan, weshalb er nach Köln gekommen sei. „Wir wollen keine Salafistenschweine.“
Kraul, der am Samstag seinen Rückzug aus dem Netzwerk bekanntgab, ist zwar als Hooligan, aber nicht als Rechtsextremist bekannt – so sagen zumindest Verfassungsschützer.
Nach der Demo schrieb er auf Facebook, dass er „noch nie Ambitionen“ hatte, sich „mit rechtsextremen Neonazis in welcher Form auch immer zusammen zu schließen“ und bis vor einigen Wochen auch nie gedacht habe, dass ihn „jemand so betiteln würde“.
Er sei kein Neonazi, er sei ein Patriot.
Wirklich?
Auf seiner Facebookseite hat er ein Video.
Es ist das Lied eines Neonazi-Rappers.
Der singt:
„Neuer deutscher Widerstand – 2014,
wir gehen auf die Straße, um dieses System zu stürzen!
Für unser deutsches Land
ziehen wir heute in den Kampf!
Ihr erwartet Dank,
hier ziehen treue Deutsche die Waffen.
Wahrheit macht frei!
Befreit euch von der Lüge, schnell!
Brüder dieser Welt,
vereinigt euch und Zion fällt!
Ihm geht’s nicht mehr um Religion oder Volk.
Nein, er kommt über Nacht
und er will nur euer Gold!“
Eindeutiger geht es nicht.
Auch die Verbindung zu Rockern wird auf Krauls Facebookprofil klar.
So findet sich dort ein Foto von „Bandido-Micha“.
Aber im Gegensatz zu den Überschneidungen mit Rechtsextremen geben die Hooligans die Kontakte zu Rockern offen zu.
In einem Video sagt ein Hooligansprecher stolz, dass nicht nur gegnerische Hooliganklubs hinter dem Netzwerk stehen, sondern auch eigentlich verfeindete Rockerklubs.
Hooligans gemeinsam mit Neonazis, Rechtsextremisten, Hells Angels und Bandidos – das ist wirklich ein Querschnitt durch die Gesellschaft.
Die Gesellschaft der Gewalttäter.

 

[Hervorhebungen im Text von mir. Rolly Brings]

 

 

Diese Seite ist Bestandteil von rollybrings.de