Blömeling
För Lilli – un för d'r Blömeling, dä dis Johr 100 weed

Wenn fään hinger Lunke
em Norde de Naach steich,
am Kahnes de Määl singk,
die Autobahn nit schweich;

dann kumme die Zombies
un schwevve em Mondsching
un fiere ehr Party
he em Blömeling

met Limo un Knuutsche
un Schwofe beim Döring;
do spillt die Kapell Edeltraud.

Dä Sound es zom Hüle,
es jot jäje Zantping,
ävver – sei spillt schön laut.

En dä Bröh vun dem Kahnes,
do bade die Nixe
und halde mem Mond ehre Klaaf.

Dat Löwe-Kwartett,
dat es dauv op de Ohre,
un knöttert nor: Dreimol Alaaf!

Un unger dä Jeister,
do bütz dann dä Manes
et Jrietche janz steekum
ungerm Zeppelin.

Die HJ, die jeit laufe
samp Führer-Schlabberdanes,
weil do am Hexehüsje
die Navajo-Bande sin.

Un us dä Trümmer-Veedel,
vum Ihrefeld un Neppes:
Mer Pänz spillte all he em Park.

Dä Blömeling wor Frei-o
för Pitter, Häns un Drickes.
Selvs jäje d'r Jääch wore mer stark.

 

© Text + Übersetzung + Anmerkungen + Musik + Arr.: Rolly Brings & Bänd

 

 

Blücherpark
Für Lilli – und für den Blücherpark, der dieses Jahr 100 wird

Wenn fern hinter Longerich
im Norden die Nacht steigt,
am Kahnweiher die Amsel singt,
die Autobahn nicht schweigt;

dann kommen die Zombies
und schweben im Mondschein
und feiern ihre Party
hier im Blücherpark

mit Limonade und Knutschen
und Schwofen beim Döring;
da spielt die Kapelle Edeltraud.

Der Sound ist zum Heulen,
ist gut gegen Zahnschmerzen,
aber – sie spielt schön laut.

In der Brühe des Kahnweihers
baden die Nixen
und unterhalten sich mit dem Mond.

Das Löwen-Quartett
ist taub auf den Ohren
und knurrt nur: Dreimal Alaaf!

Und unter den Geistern
küsst dann der Hermann
die Grete ganz heimlich
unterm Zeppelin.

Die HJ geht laufen
samt Fähnlein-Führer,
weil dort am Hexenhäuschen
die Navajo-Banden sind.

Und aus den Trümmer-Vierteln,
aus Ehrenfeld und Nippes:
Wir Kinder spielten alle hier im Park.

Der Blücherpark war ein Frei-Ort
für Peter, Hans und Heinrich.
Selbst gegen den Park-Aufseher waren wir stark.

 

© Text + Übersetzung + Anmerkungen + Musik + Arr.: Rolly Brings & Bänd

 

 

Anmerkungen zum Text "Blömeling / Blücherpark"

Blömeling: Blücherpark ( in etwa: Blumengarten)
Lilli: mein jüngstes Enkeltöchterchen
Kahnes: Kahnweiher
Autobahn: Die A 57 gibt es erst seit den 70er Jahren des letzen Jahrhunderts.
Zombies: Die Toten sind nicht wirklich tot: Sie leben weiter in unserem Gedächtnis, in unseren Gedanken, in unseren Herzen, in den Liedern und Anekdoten.
Döring: Das Tanzlokal "Döring" war ein schillernder Ort: An Wochenenden gingen die Menschen dort zum Tanz (unter ihnen auch meine Eltern); unter der Woche war es eigentlich ein Bordell und Umschlagplatz für Diebesgut. Der Besitzer soll – so will es das Gerücht – als Priester verkleidet im Zug nach Brüssel verhaftet worden sein. Friede seiner Asche.
Kapelle Edeltraud: Heute würden wir Cover- oder Oldie-Band dazu sagen. Diese Kapelle ließ nichts aus: Evergreens, modische Tänze, die neuesten Hits aus dem In- und Ausland; nicht immer takt- und tonsicher – aber immer laut. Sie brachte den Tanzpaaren viel Freude und Vergnügen. Hut ab vor diesen Musiker-Kollegen, ob noch unter uns weilend oder auf Wolke 7 musizierend!
Löwen-Quartett: Auf diesen steinernen Löwen haben Generationen vor meinem Bruder und mir, unseren Kindern und Enkelkindern gesessen. Das war und ist ein Muss! Für mich waren und sind sie geheimnisvoll wie die Sphinxe. Blöd fand ich, als sie mit Farbe besprayt wurden. Sprayen im Blücherpark ist das Gegenteil von cool – es ist einfach Scheiße!
Geister: sie oben: Zombies
Hermann und Grete: meine Eltern
Zeppelin: Anfang der 30er Jahre gab es auf der Wiese nördlich des Kahnweihers und des Rosengartens ein großes Volksfest. Ein Luftschiff der Zeppelin-Klasse schwebte über der Volksmenge. Meine Eltern haben sich anlässlich dieses Ereignisses kennen- und liebengelernt. (So will es die Familien-Saga …)
Wir Kinder nannten diese Wiese in den 50er Jahren immer noch "Zeppelin-Wiese".
HJ: In der NS-Zeit diente der Blücherpark der Hitler-Jugend als Sammel- und Exerzierplatz. Wenn Hitler-Jugend und oppositionelle Jugendliche aufeinandertrafen, flogen oft die Fäuste.
Fähnlein-Führer: Der im letzten Jahr verstorbene Edelweißpirat Fritz Theilen nannte in seinen Erzählungen einen HJ-Fähnleinführer "Führer-Schlabberdanes", was im Kölschen einen Menschen mit Minderwertigkeitskomplexen bezeichnet, die er durch herrisches und militantes Auftreten kaschieren möchte. Eigentlich kommt "Schlabberdanes" von verschütten, unsicher sein, ungeschickt sein, tölpelhaft sein, eben von schlabbern. Auch Fritz Theilen kämpfte als Ehrenfelder Edelweißpirat im Blücherpark gegen die HJ; mal mit mehr, mal mit weniger Glück und Erfolg.
Hexenhäuschen: Der betongegossene Pavillon, von uns Kindern damals "Hexehüsje" genannt, war Treffpunkt für Liebespaare, in der NS-Zeit aber auch für die oppositionellen Jugendlichen, die sich Navajos oder Edelweißpiraten nannten. In den 80er Jahren war ich an einem schönen Sommerabend mit Fritz Theilen dort. Der Genius Loci, der Schutzgeist dieses Ortes, bewirkte, dass Fritz Theilen hinreißend, lebendig und packend aus seinem Leben berichtete – auf Kölsch, versteht sich. Aus seinen und Jean Jülichs Erzählungen ist die Ballade "Edelweißpiraten" entstanden, die wir seit fast 30 Jahren am 10. November am Mahnmal in Ehrenfeld singen.
Trümmer-Viertel(n): Die an den Blücherpark angrenzenden Stadtteile Ehrenfeld, Nippes, Mauenheim, und Bilderstöckchen hatten unter den Bombenangriffen der Alliierten sehr gelitten. Die Trümmergrundstücke der späten 40er und frühen 50er Jahre waren für uns Kinder eine vertraute Kulisse.
Frei-Ort: kölsch: "Frei-o": Damals war der Blücherpark ein neutrales Gebiet, in dem sich die verschiedenen Vorort- und Straßenbanden begegnen konnten, ohne Herrschaftsgebiet verteidigen zu müssen. Kinder und Jugendliche spielten dort zusammen ohne Rivalitätskämpfe, was besonders für kleinere Kinder von Vorteil war.
Park-Wächter (Park-Aufseher): kölsch: "Jääch" (Gärtner): Vor diesem Mann, den wir auch "Bärentöter" nannten, hatten wir immer Angst, denn immer hatten wir etwas ausgefressen: entweder Äpfel, Birnen oder Pflaumen in den Gärten geklaut, Zweige und Äste zum Fechtspiel abgeschnitten, auf Bäume geklettert, mit Steinen nach Kastanien geworfen, Vogelnester ausgehoben, Froschlaich und Kaulquappen im Kahnweiher gefangen. Der "Jääch" war ein untersetzter, bulliger Mann mit Ledergamaschen und Bridgeshosen – wie ein Polizist. Ob er nun ein selbsternannter Kontrolletti oder wirklich ein von der Stadt eingesetzter Wächter oder Aufseher war, weiß ich heute nicht mehr. Wenn er auftauchte, solidarisierten wir uns sofort gegen ihn – das war damals ungeschriebenes Gesetz in "unserem" Blücherpark.

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