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domols,
hück & morje ... ?
Berichte aller Zeitungen“
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KÖLNER VOLKSBLATT / März 1998 / Seite 2 / 3
Gespräch mit Rolly Brings:
Sind wir noch Subjekte unserer eigenen Geschichte?
(...) Rolly: Es ist auch schon das nächste Projekt geboren, das ich dem Ulli in 5 Minuten umrissen hab. Was das ist, verrat ich nicht. Aber für eins wär ich Euch ganz dankbar, wenn Ihr das im VolksBlatt schon mal bringen könntet: der Rolly plant am 9. November, dann jährt sich diese Schandnacht zum 60. Mal, mit vielen Musikern und Schauspielern und Projektionen eine lange, laute Gedenknacht vor der Synagoge am Rathenauplatz zu machen. Interview: Rainer Kippe und Wolfgang Jorzik EXPRESS / 28. September 1998
Kölner Künstler zum 9. November
exp Köln
Zum ersten Mal nach 1945 wird es eine Gedenk- und Mahnveranstaltung
zur Reichspogromnacht geben: In Zusammenarbeit mit der Jüdischen Gemeinde
soll die Veranstaltung „domols, hück & morje ...? am Sonntag,
8. November, von 16 bis 22 Uhr vor der Synagoge in der Roonstraße stattfinden.
Die Schirmherrschaft hat Oberbürgermeister Norbert Burger übernommen.
Auf einer großen Bühne mit Liedern, Texten und Gedichten in hebräischer,
jiddischer und russischer Sprache unter anderem dabei: Brings, Viktor
Böll, Renan Demirkan, Gerd Köster, Frank Hocker, Ben Zev, der Kantor
der Kölner Synagoge, Samy Orfgen, die Talking Horns. KÖLNER ILLUSTRIERTE / November 1998 / Seite 100 / 101
Gemeinsam gegen Rassismus
60 Jahre ist es her, als auch in Köln die Synagogen brannten und der Nazi-Terror wütete. Mit seiner Aktion am 8.11. vor der Synagoge am Rathenauplatz will der Kölner Musiker Rolly Brings gemeinsam mit seinen Mitstreitern an eine Zeit erinnern, die viele am liebsten aus dem Geschichtsbuch streichen würden. Die Gedenkveranstaltung soll ein Zeichen setzen – gegen das Vergessen und gegen neue rechtsradikale Tendenzen in unserer Gesellschaft. Unterstützt wird diese Aktion u.a. von der KÖLNER Illustrierten. Wir veröffentlichen an dieser Stelle den Aufruf im Wortlaut und nennen im Anhang alle Beteiligten und Unterstützer der Veranstaltung. Aufruf zur Gedenk- & Mahnveranstaltung vor der Synagoge zu KölnKölner Bürgerinnen & Bürgerin Zusammenarbeit mit der Jüdischen Gemeinde KölnSonntag, den 8. November 199816 bis 22 Uhr (oder länger?)
domols, hück & morje ...? als vor 60
Jahren die Synagogen brannten Schirmherrschaft: Oberbürgermeister
Norbert Burger Am 9. und 10. November 1938 wurden von den Nazis und ihren Helfershelfern in ganz Deutschland Synagogen, Schulen, soziale Einrichtungen, Geschäfte und Wohnungen der jüdischen Bevölkerung gestürmt, verwüstet und in Brand gesetzt. 30 000 Juden wurden verhaftet und in Konzentrationslager gesperrt; unzählige schwer misshandelt, Hunderte ermordet oder in den Freitod getrieben. Die Opfer hatten Namen und Gesicht. Es waren
Nachbarinnen und Nachbarn, Kolleginnen und Kollegen, Mitschülerinnen
und Mitschüler, Kommilitoninnen und Kommilitonen, Freundinnen und Freunde.
Die Verbrechen geschahen in aller Öffentlichkeit. Zehntausende waren
als Täter beteiligt, Hunderttausende haben zugeschaut, zu viele haben
weggeschaut, alle haben gewusst. Mit diesem staatlichen Pogrom, von den Nazis
verharmlosend als Kristallnacht
bezeichnet, wurden die Weichen gestellt zum späteren Völkermord
an den Juden in Deutschland und in den von der deutschen Wehrmacht im
Zweiten Weltkrieg besetzten Ländern. Der 60. Jahrestag des Pogroms im November 1998
ist Anlass zum Gedenken an die Opfer, aber auch zum Nachdenken über
die Ursachen der Verbrechen, die Schuld der Täter und die Verantwortung
derer, die sie stillschweigend zugelassen haben. Um sich bewusst zu
machen, was damals geschehen ist, ist es notwendig, die Opfer aus der
Anonymität des millionenfachen Völkermordes herauszuholen und ihr individuelles
Schicksal zu enthüllen. Was geschah damals den Juden in unserer Straße,
in unserem Stadtviertel, im Betrieb, in der Schule, im Verein und an
der Universität? Das zu untersuchen und in das Bewusstsein der
Öffentlichkeit zu rücken, ist eine wichtige Aufgabe. Noch leben Zeitzeugen,
deren Erinnerungen und Erfahrungen für eine konkrete Auseinandersetzung
mit der Vergangenheit genutzt werden können. Erinnern und Gedenken aber bleiben fruchtlos,
wenn sie nicht die Gegenwart einbeziehen. 60 Jahre nach dem Pogrom gegen
die Juden gibt es in unserem Land wieder Antisemitismus, Rassenhass
und Fremdenfeindlichkeit. Es gibt Hetze und Gewalt gegen Flüchtlinge
und Ausländer, gegen Behinderte und gegen Menschen mit anderem Glauben
und anderen Lebensvorstellungen. Dazu haben leider auch die staatliche
Ausländer- und Asylpolitik und – vor allem – die ausländerfeindlichen
Sprüche mancher Politiker beigetragen. Diese Entwicklung muss gestoppt
werden. In einer demokratischen Gesellschaft müssen die Lebensrechte
aller Menschen anerkannt und verteidigt werden. Dazu kann jeder Einzelne
beitragen. Mit unserer Veranstaltung am 8. November 1998,
bei der weit über 100 Künstlerinnen und Künstler auftreten werden, wollen
wir ein eindeutiges Zeichen setzen, dass Hass, Gewalt, Rassismus und
Kälte dem Nächsten gegenüber in Köln keine Chance haben. Rolly Brings Folgende [Gruppen und] Personen haben zugesagt, die Veranstaltung aktiv zu gestalten: Musik-Beiträge Ben Zev (Kantor der Synagoge), BAP, Richard Bargel, Bläck Fööss, Brings, Rolly Brings & Bänd, Clan [Rolly, Peter, Stephan Brings], Tommy Engel, Moishe Fleisher, Klaus Graf Band, Anne Haigis, Nedim Hazar, Frank Hocker, Höhner, Klaus der Geiger, Gerd Köster, Nick Nikitakis, Perlman, Polizeichor Köln, Quartett Adagio, Marion Radtke, Markus Reinhardt Ensemble, Carlos Robalo, Schäl Sick Brass Band, Sticks, Talking Horns, Orhan Temur, Zeltinger Band Theater-, szenische & Dialog-BeiträgeIrena Natchovskaia-Lisizian,
Boris Weingolts
Wort-BeiträgeViktor Böll, Norbert Burger OB, Renan Demirkan, Peter Finkelgrün, Heinz Humbach, Jüdische Gemeinde Köln, Jean Jülich, Gerd Krebber & andere (Moderation), Machtwächter, Peter Millowitsch, Samy Orfgen, Jean Pütz, Wilfried Schmickler, Rich Schwab Bild-BeiträgeRolf M. Koller, Günter UlbrichVideo-, Film- & Foto-BeiträgeErnst Jürgens, Peter MeinradProgrammgestaltungUlli Hetscher, Dieter KlemmTechnik (Bühne, back-line, PA, Soundcheck, Licht) Maniac Production Service (Walter Pauly), Jupp Schmidt (Akademie för uns kölsche Sproch) OrganisationPeter Knopp (Leiter der Polizeiwache Bismarckstraße),
Walter Pauly, Jupp Schmidt SponsorenKÖLNER Illustrierte, SK Stiftung KulturÖffentlichkeitsarbeitAkademie för uns kölsche Sproch, Jüdische Gemeinde Köln, KÖLNER Illustrierte, NS-Dokumentationszentrum Köln El-De-Haus Nachfolgende
Kölner Persönlichkeiten unterstützen die Aktion Dr. Hilmar Ankerstein (Sprecher des Runden Tisch gegen Ausländerfeindlichkeit), Dirk Bach (Schauspieler), Gerhard Baum (Bundesminister a.D.), Jürgen Becker (Kabarettist), Klaus Bednarz (Moderator), Konrad Beikircher (Kabarettist), Sakir Bilgin (Tüday-Vorsitzender), Alfred Biolek (Talkmaster), Pal Berkovics (Promotion / Produktion & Show Service), Peter Berkovics, Pal Berkovics (jun.), Helga Blümel (Kölner Jugendring e.V.), Anna & Bernd Blume, Walter Bockmayer, Bettina Boettinger (Moderatorin), Wolfgang Brüggen (Alter Wartesaal), Christoph Brüske (Comedian), Rolf Bührmann (GF Kaiserhof-Theater GmbH), Volker Bulla (Kölner Lesben- und Schwulentag e.V.), Norbert Burger (Oberbürgermeister), Andy Cremer (Autor), Jürgen Crummenerl (Öffentlichkeit gegen Gewalt e.V.), Franz Josef Degenhardt (Liedermacher & Schriftsteller), Brigitte Doppagne (Autorin), Guido Eckert (Schriftsteller), Lothar Evers (Bundesverband Information und Beratung für NS-Verfolgte e.V.), Mehmet Fistik (Theater das bewegt), Uta Flick (PR Kaiserhof), Deborah Foulkes (Lyrikerin), Jörg Frank (LAG Medien Bündnis 90 / Die Grünen NRW), Anthony Gebler (Schauspieler), Konrad Gilges (MdB, DGB-Kreis Köln-Leverkusen-Erft), Günter Ginzel (Kölnische Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit), Ralph Giordano (Schriftsteller), Patrick Habel (Kaiserhof), Elke Heidenreich, Ralf Hertling (stellver. Generalintendant der Bühnen der Stadt Köln), Peter Herbolzheimer (Musiker), Prof. Gerhard Herkenrath (Pfarrer St. Alban), Bernhard Hinrichs (Domprobst), Dr. Martin Hielscher (Verlag Kiepenheuer & Witsch), Axel Hill (Pressesprecher Kaiserhof), Marie Hüllenkremer (Kulturdezernentin), Günter Hüppeler (Kulturveranstalter), Heinz Humbach (Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – BdA), Dieter Horky (Berufsverband Bildender Künstler), Ulla Horky (Künstlerin), Ulla Jelpke (MdB), Klaus Jünschke (Kölner Appell), Siglinde Kallenbach (Künstlerin), Dr. Hans Werner Kettenbach (Autor), G. Kiefer (Sinti Union Köln e.V.), Udo Kittelmann (Leiter des Kölner Kunstverein), Christian König, KÖLNER Illustrierte, Stefan Krachten (Musiker), Noemi Kraigher (Jüdisches Forum Köln), Ute Christine Krupp (Schriftstellerin), Ulla Lessmann (Vorsitzende des VS Köln), Peter Liebermann (Verein EL-DE-Haus), Ulla Lötzer (MdB), Anne Lütkes (Rechtsanwältin), Wolf Maahn (Sänger), Marten Marquardt (Leiter der Melanchton-Akademie Köln), Andreas May-Johann (Die Kantine), Christoph Meertens (Rechtsanwalt), Heiner Moers (Bel Air), Edith Müller (Europabüro Köln), Horst Münnich (Antifa AK Universität Köln), Matthias Niese (Rheinländer), Norbert Oberhaus (Stadtgarten), Franz Xaver Ohnesorg (Kölner Philharmonie), Paveier, Kurt-Werner Pick (Pfarrer Antoniterkirche), Micki Pick (Live Music Hall), Jürgen Raap (Künstler), Ralf Radler (Medien gegen Rassismus e.V.), Richard Rogler (Kabarettist), Ina Rumpf (Chefredaktion Radio Köln – stellvertretend für komplettes Redaktionsteam von Radio Köln), Matthias Rosenstock (MTC), Karl Schick (Evangelischer Stadtkirchenverband), Karl Schiesberg (Weißer Holunder), Anita Schiffer-Fuchs (Fotografin), Constanze Schmidt, Atze Schröder (Comedian), HA Schult (Künstler), Matthias Schüller (Bürgerhaus Kalk), Amir Shaheen (Autor), Martin Stankowski (Journalist), Dieter Süverkrüp, Stadtrevue, Roland Tichy (freier Wirtschaftsjournalist), Triviatas, Kurt Uhlenbruch (SPD-Vorsitzender Köln), Günter Wallraff (Schriftsteller & Journalist), Rosa K. Wirtz (Atelier Theater), Eusebius Wirdeier (Fotograf), Thomas Wissmann (Künstler), Hella von Sinnen (Kabarettistin), Helmut Zerlett, Meinhard Zanger (Intendant des theater der keller), Zauberflöten, Heinz Zolper (Künstler), Bruno Zarrillo (stellvertretend für den KEC Kölner Haie). STADT REVUE / 11 / 98 / Seite
37 domols, hück & morje ...? Eine Gedenk- und Mahnveranstaltung
zum 60. Jahrestag des Nazi-Pogroms vom 9. November 1938 Wir wohnten damals in Ehrenfeld, in der Körnerstraße 93. Mein Vater war Vorbeter, Kantor an der Ehrenfelder Synagoge. Wir wohnten in dem Häuschen, das direkt an der Synagoge lag. (...) Am Morgen des 9. oder 10. November versammelten sich einige Leute vor dem Gittertor, das auf den Hof der Synagoge führte. Zwei Leute, die in Halbzivil gekleidet waren – sie hatten lange Stiefel und dunkle, schwarze Hosen an - , läuteten und verlangten Eintritt. (...) Sie hatten auch Äxte dabei. Ich ging mit ihnen in die Synagoge, und sie fingen an, mit diesen Äxten die Bänke zu zerschlagen. Ich nahm das ganz so wie etwas Abenteuerliches und Traumartiges auf (...). Sie schlugen auf alles, zerschlugen auch den Almemor, das heißt das Pult, auf dem die Thorarollen verlesen werden. (...) Für das folgende ist mein Gedächtnis nicht mehr so klar. Ich weiß aber noch, dass dann eine neue Gruppe von Leuten den Eintritt in unser Häuschen erzwang, anfing, die Möbel herauszuwerfen und sie auf dem Hof in Brand zu stecken. In der Zwischenzeit hatte sich draußen eine ziemliche Menschenmenge versammelt, und – in dieser Beziehung ist mein Gedächtnis ganz klar - es war eine Menschenmenge, aus der gar kein Laut kam. Es herrschte Schweigen. (...) Die Ehrenfelder Synagoge und das Häuschen daneben wurden niedergebrannt. Unser gesamter Besitz – Hausrat und Mobiliar - , alles wurde dabei vernichtet. So beschreibt der Kölner Jude Henry Gruen, damals 15 Jahre alt, den Auftakt zur systematischen Judenverfolgung im November 1938. Wie viele andere Berichte von Zeitzeugen hinterlässt diese Schilderung Eindruck vor allem wegen der Individualisierung, die gängige Worte wie „Pogrom oder gar das von den Nazis verwendete Reichskristallnacht hier erfahren. Auf diese Individualisierung und Konkretisierung kam es auch dem Kölner Liedermacher Rolly Brings an, als er die Idee hatte, zum 60. Jahrestag dieses Ereignisses eine Veranstaltung vor der letzten verbliebenen Kölner Synagoge in der Roonstraße zu organisieren. Zwar haben Nazis und Antisemiten heutzutage in Köln kein öffentliches Forum, aber der Spuk wirkt weiter. So berichtet Brings in seinem Aufruf, dass etliche Mitglieder der Kölner Jüdischen Gemeinde die Synagogenverwaltung aus Angst gebeten haben, an sie gerichtete Post nicht mit dem Absender Jüdische Gemeinde zu versehen. Antisemitismus spiegelt sich nicht in Prozentzahlen für rechtsradikale Parteien. Sechs Stunden lang soll deshalb am 8. November – den 9. begeht die Jüdische Gemeinde unter sich – mit Musik und Wortbeiträgen dieses Tages gedacht werden. Auftreten werden Kölner Musiker (u.a. Tommy Engel, Gerd Köster, Klaus der Geiger, Jürgen Zeltinger, Höhner, Rich Schwab, Bap, Nick Nikitakis, Brings, Richard Bargel, Anne Haigis, Markus Reinhardt Ensemble), Kabarettisten, Schriftsteller und Schauspieler (u.a. Wilfried Schmickler, Renan Demirkan, Peter Millowitsch, Jüdisches Theater Köln W) sowie Zeitzeugen und Vertreter der Polizei, des NS-Dokumentationszentrums und der Jüdischen Gemeinde Köln. Ungeachtet der Tatsache, dass Rolly Brings Kölns Oberbürgermeister Norbert Burger als Schirmherrn gewinnen konnte, ist diese Veranstaltung in Eigeninitiative organisiert worden, wie es, so Brings, „für Köln typisch und liebenswert ist . BERND IMGRUND domols, hück & morje ...? 8.11.
vor der Synagoge Roonstraße, 16 – 22 Uhr. Das Eingangszitat stammt aus dem Buch „Ich habe Köln doch so geliebt. Lebensgeschichten jüdischer Kölnerinnen und Kölner von Barbara Becker-Jákli, Volksblatt-Verlag. Außerdem läuft noch bis zum 30.12. eine Ausstellung in der Zentralbibliothek am Neumarkt unter dem Titel „Zuhause in Köln – jüdisches Leben 1945 bis heute. Der Anfang nach dem Ende . Unter dem gleichen Titel erscheint in Kürze ein Buch im Böhlau-Verlag. Text neben Bild (Foto: Rheinisches Bildarchiv): Synagoge Glockengasse nach der Zerstörung im Novemberpogrom KÖLNER STADT-ANZEIGER / Nr.
246 / 22. Oktober 1998 / 15 / KÖLN Mahnveranstaltung Als vor 60
Jahren die Synagogen brannten Rolly Brings
trommelte Künstlerkollegen zusammen Von Horst Piegeler Für den Musiker Rolly Brings war es ein einschneidendes Erlebnis: Vor ein paar Jahren hatte ihm ein Mitglied der jüdischen Gemeinde Köln erzählt, dass zahlreiche Gemeindemitglieder die Synagogenverwaltung gebeten hätten, ihnen keine Post mit der Absenderangabe „Jüdische Gemeinde Köln zu schicken; sie wollten in ihrer Umgebung nicht als Juden erkannt werden. Sie hatten Angst. Am 8. November wird Brings diesen Gedanken aufgreifen: An diesem Tag veranstaltet er in Zusammenarbeit mit der jüdischen Gemeinde und unterstützt unter anderem von der Akademie för uns kölsche Sproch die Gedenk- und Mahnveranstaltung domols, hück & morje ...? Erinnert werden soll daran, dass vor 60 Jahren in der Pogromnacht die Synagogen brannten; gemahnt werden soll, dass es auch heute noch Fremdenfeindlichkeit gibt. Für Brings ist es dabei sehr wichtig, dass diese ganze Veranstaltung „von unten kommt. Daher ist er auch konsequent: „Es kommt mir kein Politiker auf die Bühne , sagt er. Allerdings gilt dies nicht für Oberbürgermeister Norbert Burger, der die Schirmherrschaft übernommen hat. Es ist das erste Mal, dass eine solche Gedenkveranstaltung in Zusammenarbeit mit der jüdischen Gemeinde stattfindet. Brings führt das darauf zurück, dass Ähnliches noch vor einigen Jahren hauptsächlich von kommunistisch orientierten Gruppen organisiert wurde, die bürgerliche jüdische Gemeinde damit aber kaum Berührungspunkte hatte. Er selbst sei aber eher „im Böllschen Sinne rheinischer Anarchist , der ein [anderes] Verhältnis zu der Gemeinde habe. Dies habe vieles erleichtert. Brings ist der Überzeugung, dass Musik, dass Kunst generell ein Gefühl vermitteln kann. Auf ein solches Gefühl der Zusammengehörigkeit baut er auch für die Veranstaltung in der Roonstraße. Störungen fürchtet er nicht. Brings ist überzeugt: „Solche Veranstaltungen erzeugen ein ganz besonderes Binnenklima. Das ist ein ähnlicher Effekt wie damals bei Arsch huh auf dem Chlodwigplatz. Das Programm hp Die Gedenk- und Mahnveranstaltung „domols, hück & morje ...? findet am 8. November in der Roonstraße statt und soll nach der bisherigen Planung von 16 bis ungefähr 22 Uhr dauern. Die Bühne wird in Höhe des Atelier-Theaters aufgebaut. Es liegen Zusagen von vielen Menschen vor, die sich am Programm beteiligen wollen. Darunter sind Bap, die Bläck Fööss, Brings, Rolly Brings & Bänd, Tommy Engel, Moishe Fleisher, Anne Haigis, Nedim Hazar, Gerd Köster und Fank Hocker, die Höhner, Klaus der Geiger, Nick Nikitakis, der Polizeichor Köln und viele andere Musiker. Dazu wird es zahlreiche Wortbeiträge geben. Text unter Bild (Worring): ROLLY BRINGS
ist der Initiator der geplanten Gedenkveranstaltung, für die er zahlreiche
Kölner Künstler gewinnen konnte. EXPRESS / Donnerstag, 22.
Oktober 1998 / Seite 31 / K Kölsch-Rock
gegen das Vergessen
Arsch huh wieder da. Konzert am 8. November Von
INGE WOZELKA exp Köln – domols, hück & morje ...? 60
Jahre ist es her, dass im Dritten Reich die Synagogen brannten. Zum
ersten Mal seit 1945 wird es in Köln eine Mahn- und Gedenkveranstaltung
zur Reichspogromnacht geben. Von Kölnern für Kölner. Am 8. November,
von 16 bis 22 Uhr vor der Synagoge in der Roonstraße.
domols, hück & morje ...? –so heißt das Motto der Veranstaltung.
Mit Musik u.a. von BAP, den Bläck Fööss, Ben Zev, dem Kantor der Kölner
Synagoge, Gerd Köster, Nick Nikitakis, den Höhnern und den Talking Horns.
Mit Wortbeiträgen u.a. von Jürgen Becker, Viktor Böll und Jean Pütz.
Mit Video-, Film- und Fotobeiträgen. Bis zu 60 000 Menschen erwarten
die Ordnungsbehörden auf der Roonstraße. Die Bühne (10 mal 12 Meter)
wird in Höhe des Atelier-Theaters aufgebaut, steht quer auf der Straße.
Da werden Erinnerungen wach. An den 9. November 1992. An das „Arsch
huh -Konzert am Chlodwigplatz vor 100 000 Menschen. Die Idee zur Neuauflage
des „Arsch huh -Konzertes entstand während eines Spaziergangs. „Es
war ein kalter, grauer Februartag , erinnert sich Rolly Brings. „Da
[spazierte] ich um die Synagoge, dachte: In diesem Jahr muss was besonderes
passieren. Kleinere
Veranstaltungen zur Pogromnacht hatte der Lehrer und Musiker ja schon
oft auf die Beine gestellt. In der Körnerstraße zum Beispiel, wo vor
dem Krieg auch eine Synagoge stand. „Aber wir haben es immer versäumt,
die Jüdische Gemeinde mit einzubeziehen. Diesmal haben wir uns getraut.
Er
besuchte Benzion Wieber, erzählte ihm von seiner Idee. „Ich war sofort
begeistert , sagt der Geschäftsführer der Jüdischen Gemeinde. Und plante
eifrig mit. Derweil verschickte Rolly Brings Faxe. Lud die kölschen
Künstler ein, bei der Veranstaltung dabei zu sein.
Es gab kaum Absagen. Und wer, wie Dirk Bach oder Klaus Bednarz nicht
konnte, entschuldigte sich , freut sich Brings. „Bei dieser Veranstaltung
geht es ja nicht nur um Solidarität mit Juden, sagt auch Günther B.
Ginzel, Chef der Deutsch-Jüdischen Gesellschaft. „Sie steht gegen Fremdenfeindlichkeit,
gegen Rassismus. Damit erreichen wir Menschen über das Herz – das ist
wichtig. Vor
rund zwei Wochen haben auch BAP zugesagt. „Uns war klar, wir machen
nur dann mit, wenn wir etwas Neues spielen. Da wir mitten im Produktionsstress
für unsere neue CD steckten, war wenig Zeit, sich etwas einfallen zu
lassen. Aber jetzt haben wir s , sagt Wolfgang Niedecken im EXPRESS-Gespräch.
Ob auch „Arsch huh am 8. November gesungen wird? „Na, es sind ja fast
alle von damals dabei ... Rolly
Brings verspricht: „Das Konzert ist von Kölnern für Kölner. Der einzige
Politiker, der auftreten wird, ist Oberbürgermeister Norbert Burger.
Text
unter Foto von Zik: Wolfgang
Niedecken, Rolly Brings und Günther Ginzel beim EXPRESS-Gespräch mit
dem Veranstaltungsplakat „domols, hück & morje ...? 1999:
Synagoge wird 100 Die
Synagoge in der Roonstraße: Nächstes Jahr feiert sie ihren 100. Geburtstag.
Im November 1938 wurde sie in Brand gesteckt, später von Bomber getroffen.
Am 20. September 1959 beging die Jüdische Gemeinde Kölns ihren Wiederaufbau
Bundeskanzler Konrad Adenauer überbrachte seine Glückwünsche persönlich.
Nach dem Krieg lebten nur noch zwischen 20 und 60 Juden in Köln ,
sagt Benzion Wieber. „Heute sind es wieder rund 3200. KÖLNISCHE RUNDSCHAU / 23.
Oktober 1998 / Nummer 247 / STADT KÖLN Viele
Kölner Musiker bei Gedenkfeier zur Pogromnacht in der Roonstraße Gemeinsam
gegen das Vergessen Seit Jahren schon spielt und singt der Musiker Rolly Brings jeweils am 9. November mit seinen Söhnen und Freunden zum Gedenken an die Reichspogromnacht 1938. Irgendwann habe er festgestellt, „dass wir das immer ohne Einbeziehung der jüdischen Gemeinde gemacht haben , sagt Brings, „ und dass es höchste Zeit ist, dass wir etwas zusammen organisieren . In diesem Jahr, in dem sich der Sturm auf die Synagogen zum 60. Mal jährt, wird das gemeinsame Projekt realisiert: Unter dem Motto „domols, hück & morje ...? findet am Sonntag, 8. November, von 16 bis 22 Uhr unter der Schirmherrschaft von Oberbürgermeister Norbert Burger eine Mahn- und Gedenkveranstaltung nahe der Synagoge auf der Roonstraße statt. Wir wollen nicht nur der Schreckensnacht gedenken, sondern die Hauptstoßrichtung geht gegen Hass und Ausländerfeindlichkeit in der heutigen Zeit , sagt Brings. Bei der Synagogen-Gemeinde stieß der Musiker mit seiner Idee auf offene Ohren, und er gewann für sein Projekt so ziemlich die gesamte bekannte Kölner Musikszene: Bläck Fööss, Höhner, Bap und Brings werden dabei sein, Gerd Köster und Frank Hocker, die Schäl Sick Brass Band, der Polizeichor Köln, Rolly Brings & Bänd, dazu Moshe Fleisher, Viktor Böll, Renan Demirkan und viele andere. Von der Synagogen-Gemeinde wird unter anderem Kantor Simon Ben Zev mitwirken. „Ich bin mir gar nicht mehr sicher, ob die sechs Stunden überhaupt noch ausreichen , sagt Brings. Mit Musik, Texten und Theater sollen auf der Bühne, die in Höhe des Atelier-Theaters errichtet wird, Zeichen gesetzt werden „gegen den Ungeist des Hasses und der Gewalt . Die Ordnungsbehörden, so Brings, rechneten mit bis zu 60 000 Besuchern. Wir sind sehr erfreut über die Initiative von Rolly Brings , betonte Benzion Wieber, Geschäftsführer der Synagogen-Gemeinde. Die traditionelle Gedenkstunde der Synagogen-Gemeinde findet einen Tag später, am 9. November um 19 Uhr in der Synagoge an der Roonstraße statt. map EXPRESS / 23. Oktober 1998 Unter der
Synagoge wird koscher gekocht Von INGE WOZELKA exp Köln – „domols, hück & morke ...? - am 8. November findet die Mahn- und Gedenkveranstaltung zur Reichspogromnacht statt – vor der Synagoge in der Roonstraße. Sie ist das einzige jüdische Gotteshaus Kölns. Jeder ist schon mal vorbeigefahren. Drinnen waren nur wenige. EXPRESS verabredete sich mit Benzion Wieber (50), dem Geschäftsführer der Synagogengemeinde zu einem Rundgang. Leider nötig: die Eingangskontrolle. Der Ausweis wird verlangt, der Besucher angemeldet. Grundsätzlich ist die Synagoge für jeden offen , sagt Wieber. „Tag für Tag finden Führungen statt. Nach Anmeldung. Die eigentliche Synagoge (500 Plätze) liegt im ersten Stock. Der Fußboden aus grauem Marmor, die Wände geweißt. Hinter dem Altar verbirgt ein blauer Vorhang das Heiligste – die Tora-Rollen (Texte der fünf Bücher Moses). Es gibt eine Frauentribüne und zusätzlich noch die kleine Synagoge für das Morgengebet um 7.15 Uhr. Die Jüdische Gemeinde (3200 Mitglieder) funktioniert fast wie eine Pfarrei , erklärt Miguel Freund (44), Mitglied des dreiköpfigen Vorstands. „Aber unser Einzugsgebiet ist größer, reicht vom Rheinischen-, über den Oberbergischen bis zum Eft-Kreis. Es gibt eine Sozialabteilung, die sich um die Mitglieder, die aus den GUS-Staaten nach Köln kamen, kümmert. Es gibt einen Kindergarten, ein Altenheim, Religionsunterricht. Neben dem Gemeindesaal liegt der „Museumstrakt . In sechs Vitrinen werden Tora-Rollen und schmuck ausgestellt. Alte Fotos erzählen von den Synagogen in der Ottostraße und der Glockengasse, die es seit der Pogromnacht nicht mehr gibt. Dahinter: Das einzige koschere Restaurant in NRW (90 Plätze). Hier kocht Familie Weiß in dritter Generation. Text unter Bild
1 (Fotos: Michael Wand): Siebenarmige Leuchter, bunte Glasfenster, Marmorböden und die heiligen Schriftrollen: Benzion Wieber führte EXPRESS durch die Synagoge in der Roonstraße. Text unter Bild 2: Tora-Rollen und Tora-Schmuck: teilweise noch aus der Zeit vor dem Krieg. Text unter Bild 3: Kochen in dritter Generation koscheres Essen: Aurora und Elisabeta Weiß. EXPRESS / Donnerstag, 5. November
1998 / Seite 28 / K / 1 Konzert vor
Synagoge: Geld fehlt Von INGE WOZELKA exp Köln – „domols, hück & morje ...? – am Sonntag steigt die große Mahnveranstaltung zur Reichspogromnacht vor der Kölner Synagoge in der Roonstraße. Wann geht es los?: Um 16 Uhr. Mit einem Grußwort von Schirmherr Oberbürgermeister Norbert Burger. Wer macht mit? Es wird sechs Stunden Musik, Rezitationen und Wortbeiträge geben. Dabei: der Vorsitzende der jüdischen Gemeinde Miguel Freund, Moishe Fleisher, Rolly Brings & Bänd, Talking Horns, Renan Demirkan, Gerd Köster, Frank Hocker, das Markus Reinhardt Ensemble, die Höhner, Tommy Engel, der Polizeichor Köln, Brings, Jürgen Becker, Edelweißpirat Jean Jülich, Bläck Fööss, Peter Millowitsch. Das Finale steigt gegen 22 Uhr: Bap und andere Teilnehmer stimmen noch mal „Arsch huh – Zäng ussenander an. Wo wird die Bühne aufgebaut, gibt es Straßensperren? Die Rundbogenbühne (13 mal 12 Meter) steht auf der Roonstraße, Höhe Atelier-Theater. Sie wird mit [...] in Richtung Zülpicher Straße aufgebaut. Ab Samstag morgen, sechs Uhr, bis Montag, 16 Uhr, ist die Roonstraße zwischen Beethoven- und Lindenstraße komplett gesperrt. Wermutstropfen: Noch immer haben die Initiatoren Geld-Probleme. Die Stadt fordert mehr als 60 000 Mark u.a. für Absperrungen und Sanitätsdienst (EXPRESS berichtete). Walter Pauly, verantwortlich für die Organisation: „Immerhin haben wir einen Teilerfolg erzielt. Statt wie zuerst gefordert, 30 000 Mark Kaution für den Rathenauplatz ans Grünflächenamt zahlen zu müssen, reicht nun die Einzäunung des Areals. Ein weiteres Problem: „Es fehlen 30 000 Mark für die geplante Großbildleinwand , sagt Initiator Rolly Brings. „Ohne sie sehen die Leute in den hinteren Reihen leider wenig. Wer die Veranstaltung unterstützen will, kann seine Spende (gegen Bescheinigung) bei der „Akademie för uns kölsche Sproch , Kontonummer 123 729 75, BLZ 370 501 98 einzahlen. KÖLNISCHE RUNDSCHAU / Freitag,
6. November 1998 / STADT KÖLN / 3 Gedenkveranstaltung
vor Synagoge Roonstraße Künstler
erinnern an Progromnacht Ein
kölsches Staraufgebot der Extraklasse gibt am 8. November unter dem
Motto „domols, hück & morje ...? ein Open-air-Konzert. Nach einem
Grußwort von Oberbürgermeister Norbert Burger werden die Künstler am
Sonntag von 16 bis 22 Uhr auf der Bühne vor der Synagoge, Roonstraße,
mahnen und erinnern. Anlass für das Konzert ist der sechzigste Jahrestag
der Reichspogromnacht. Am 8. November 1938 brannten auch in Köln die
Synagogen und wurden jüdische Mitbürger misshandelt. Auf Initiative
von Rolly Brings haben sich zahlreiche Künstler bereit erklärt, an der
Gedenkveranstaltung mitzuwirken. In
der ersten Abteilung bis 17 Uhr treten Jean Pütz, der Brings Clan, Moishe
Fleisher und Ben Zev, der Kantor der jüdischen Synagogengemeinde auf.
Dann folgen bis 18 Uhr die Talking Horns, Renan Demirkan, Gerd Köster
und Frank Hocker, Die Machtwächter, das Markus Reinhardt Ensemble und
Amore e Problemi. Mit den Höhnern wird der Auftrittsmarathon fortgesetzt.
Um 18 Uhr spielt die Gruppe. Nach dem Auftritt des Kölner Polizeichores
folgen Jürgen Becker und Klaus der Geiger. Nick
Nikitakis steht wie Heinrich Pachl, die Zeltinger Band und Peter Millowitsch ab 19 Uhr auf der
Bühne. Dann treten die Bläck Fööss mit der Schäl Sick Brass Band auf.
Den Abschluss der Gedenkveranstaltung bilden die Auftritte der Rolly
Brings Band, von Tommy Engel und BAP. Die Stadt Köln verzichtet auf
40 000 Mark und damit auf zwei Drittel der ursprünglich von den Veranstaltern
geforderten 66 200 Mark Kosten. Die
Roonstraße wird ab Samstag morgen um 6 Uhr gesperrt. Für Anlieger ist
sie als Sackgasse von der Zülpicher Straße aus befahrbar. Die Sperrung
der Roonstraße wird bis Montag nachmittag dauern. Beschallt werden neben
der Roonstraße auch die Beethovenstraße und die der Synagoge gegenüberliegende
Seite des Rathenauplatzes. Das WDR-Fernsehen überträgt am Sonntag live
von 16.30 bis 17.45 Uhr. ran KÖLNER STADT-ANZEIGER / Nr.
259 / Freitag, 6. November 1998 / 13 Gedenkveranstaltung Bilder des
Schreckens bleiben ungezeigt domols,
hück & morje ?
ohne Videoprojektion Von Clemens Schminke Es ist vielleicht das brutalste Bild, eine Zusammenfassung dessen, was der ganze Zyklus zeigt. Rolf M. Koller steht neben seinem großformatigen Gemälde „Der Vergewaltiger , das zum 39teiligen Zyklus „Die Nacht des Menschen gehört, an dem er viele Jahre gearbeitet hat. Es sind Bilder des Schreckens, der Angst, des Schmerzes und der Verzweiflung, die das Leiden der Menschheit in diesem Jahrhundert vor Augen führen: nackte Männer, Frauen und Kinder, einzeln oder in Gruppen, die immer wieder als hilf- und schutzlose Opfer gezeigt werden. Der Vergewaltiger aber, der die Mitte eines Triptychons bildet, ist eine Ausnahme. Von einer anderen Darstellung abgesehen, ist es das einzige Zyklus-Bild, das einen Täter zeigt, und dies auf drastische Art: Ein bizarr entstellter Mann würgt und vergewaltigt eine Frau, und zur Steigerung der Unmenschlichkeit trampelt er dabei auf einer Leiche herum. „Der ist fast zum Tier geworden , sagt Koller und verweist auf das Symbolische: „Es gibt doch die Redensart Über Leichen gehen ... Den „Vergewaltiger hatte der 66jährige Künstler, der jahrzehntelang in der Kölner Werkschule Akt und Anatomie unterrichtet hat und sich als „Menschenmaler versteht, aus seinem Werk ausgewählt, um ihn am kommenden Sonntag auf der Veranstaltung domols, hück & morje ...? zu zeigen, die an die Reichspogromnacht vor 60 Jahren erinnert. „Schon traurig sei es, dass aus dem Vorhaben nun doch nichts wird, sagt Koller. Denn den Veranstaltern, die in privater Initiative ein großes Programm zusammengestellt haben, fehlt das Geld für die Präsentation: Das Bild sollte in Videogroßprojektion gezeigt werden. Auch die acht Bilder, die Günter Ulbrich eigens für den Sonntag angefertigt hat, kann das Publikum aus demselben Grund nicht sehen. „Das ist superbedauerlich , meint der 44jährige, sagt aber auch, dass die künstlerische Beschäftigung mit dem Veranstaltungsthema für ihn fruchtbar war. „Ich habe etwas gemacht und das macht mich zufrieden. So hat er auf das geschwärzte Klingelbrett eines Mietshauses neben die Klingelknöpfe deutsch-jüdische Nachnamen in verschiedenen Schrifttypen geschrieben und über einen Teil der Fläche rote und gelbe Farbe laufen lassen – vage Reminiszenz an Schwarz-Rot-Gold. Die Namen wären doch alle noch auf dem Brett, wenn die Leute nicht abgeholt und im Holocaust umgekommen wären , so Ulbrich über die Idee zu diesem Objekt. Ein anderes ist ein kleines Fußballfeld; wieder sind es jüdische Nachnamen, die eine wichtige Rolle spielen, diesmal die eines Fußballteams, die in der unteren Spielhälfte stehen; oben hat Ulbrich mit Gouache einen Davidstern gemalt, von dessen unteren Zacken Farbe herunterläuft – ein Stern, wie er in der Pogromnacht diskriminierend etwa an Schaufenster jüdischer Geschäfte geschmiert worden war. Obwohl er seine Bilder nicht zeigen kann, will er am Sonntag bei der Gedenk- und Mahnveranstaltung dabei sein, die von 15.55 bis gegen 22 Uhr vor der Synagoge in der Roonstraße stattfindet. Nach dem Grußwort von Oberbürgermeister Norbert Burger treten zahlreiche Personen und Gruppen auf, darunter Rolly Brings, Renan Demirkan, Ben Zev, Gerd Köster, Viktor Böll, Anne Haigis, die Höhner, Peter Millowitsch und zum Schluss BAP. Wie Burger inzwischen mitteilte, wird die Stadt Köln zur Unterstützung der Veranstaltung auf 40 000 Mark der Gesamtkosten von 66 200 Mark verzichten. Text unter Bild von Max Grönert: Rolf M. Koller neben seinem Bild „Der Vergewaltiger aus dem Zyklus „Die Nacht des Menschen , in dem er aus christlich-jüdischer Sicht das Leiden der Opfer in unserem Jahrhundert darstellt. Text neben dem Bild von Holubovsky: Eine der Arbeiten
von Günter Ulbrich, die er bei der Gedenk- und Mahnveranstaltung am
Sonntag zeigen wollte: Klingelbrett mit deutsch-jüdischen Nachnamen. EXPRESS / Samstag, 7.November
1998 Polizeichef
Roters singt ’Arsch huh exp Köln Alles paletti für „domols, hück & morje ...? , die große Gedenkfeier vor der Synagoge. „Auch in den hinteren Reihen werden die Leute was zu sehen bekommen , freut sich Initiator Rolly Brings. „Nach dem EXPRESS-Bericht hat sich der Kölner Verlag ’1/4 vor gemeldet, sagt, er übernehme die Kosten für die Großleinwand. Auch ein zusätzlicher Gast hat sich bei Brings gemeldet: „Beim Finale wird Polizeipräsident Jürgen Roters mit allen Künstlern gemeinsam die Arsch huh -Hymne singen. KÖLNER STADT-ANZEIGER / Nr.
260 / Samstag / Sonntag / 7. / 8. Nomber 1998 / 19 Tipps zum Wochenende Konzert vor
der Synagoge Von Claudia Freytag Vielleicht entsteht ja eine ähnliche Stimmung wie damals am Chlodwigplatz, als das Konzert Arsch huh ein Zeichen gegen Ausländerfeindlichkeit setzte: Am Sonntag, dem Vorabend zum Gedenktag an die Pogrome von 1938, die die Nazis zynisch Reichskristallnacht nannten, findet an der Roonstraße vor der Synagoge das Konzert „domols, hück & morje ...? statt. Auf die Initiative von Musiker Rolly Brings hin, der mit „Bänd auftritt, sind mit Musik und Texten dabei: Brings, Bläck Fööss, Höhner, Jürgen Zeltinger, Nick Nikitakis, Markus Reinhardt Ensemble, Moishe Fleisher, Viktor Böll und etliche andere. Die Veranstaltung, die unter der Schirmherrschaft von Oberbürgermeister Norbert Burger steht, wird voraussichtlich von 16 bis 22 Uhr dauern. (...) Text unter dem Bild von (stef): Organisiert „domols, hück & morje ...? : Rolly Brings EXPRESS / Montag, 9. November
1998 / Seite 32 / K / KÖLN / Ausgabe I domols,
hück & morje ... ? am Rathenauplatz Glühwein unterm
Regenschirm: Arsch huh wieder da Von GERHARD VOOGT und INGE WOZELKA exp Köln – „Wir waren schon 1992 beim „Arsch huh -Konzert in der Südstadt dabei – da ist es doch eine klare Sache, dass wir heute auch wieder dabei sind . Cordula (30) und Katja (28) teilen sich einen kleinen Regenschirm. Sie stehen am ersten Absperrgitter an der Bühne vor der Synagoge. domols, hück & morje ...? , die Mahn- und Gedenkfeier in der Roonstraße: Obwohl es wie aus Kannen schüttet, strömen schon am Nachmittag Tausende zum Rathenauplatz. „Ist schon toll, dass so viele Menschen heute hier her gekommen sind – trotz des beschissenen Wetters , freut sich Tommy Engel. Er ist sicher: „Später werden es bestimmt noch viel mehr. Gute Stimmung trotz miesem Wetter: Dicht an dicht stehen die Kölner unter bunten Regenschirmen. Viele wärmen sich mit Glühwein (2,50 Mark) auf. Zuschauer Peter König (55) sagt, was viele denken: „Das hat s in Köln noch nie gegeben. Toll, dass kölsche Promis zusammen mit den Leuten von der Synagoge Programm machen. domols, hück & morje ...? : Mehr als ein Konzert. Diese Gedenkfeier geht unter die Haut. 16.30 Uhr: Ben Zev, der Kantor der jüdischen Gemeinde, betritt mit Hut und blauem Regenmantel die Bühne. Er steht vor einem Holzpult, stimmt das Gebet „Eli, eli asawtani an – „Mein Gott, warum hast du mich verlassen , Psalm 22. So beten die Juden seit dreitausend Jahren, wenn sie als Verfolgte in den Tod gehen ... In der Roonstraße ist es mucksmäuschen still. Dann brandet Applaus auf, als Rolly Brings, der Initiator der Feier, mit seinen Söhnen die Bühne betritt. „Kein Mensch ist illegal singen sie – und viele nicken zustimmend mit dem Kopf. Auch Backstage wird s eng: Moishe Fleisher spricht noch mal kurz mit seiner kölschen Zweitstimme Uwe Modler. Hohn Henning Krautmacher steht gebannt am TV-Monitor, dick in Lederjacke und roten Schal verpackt. Er weiß: „Das wird ein toller Abend. Vor der Bühne wird es immer enger. Auch Kölns Polit-Prominenz ist gekommen. SPD-Parteichef Kurt Uhlenbruch steht neben Fraktionsboss Norbert Rüther: „Eine wichtige Veranstaltung , sagt er, schaut auf seine nassen Schuhe und seufzt: Das Wetter kann man sich bei solchen Gedenktagen leider nicht aussuchen. Anne Lütkes, die Fraktionschefin der Grünen, nickt: „Ein historisches Ereignis. Ein bisschen wie ‚Arsch huh , aber die Teilnahme der jüdischen Gemeinde verleiht der Sache eine ganz besondere Qualität. 17.30 Uhr: Die Höhner kommen auf die Bühne, singen „Wann geht der Himmel wieder auf . „Auch wenn die das anders gemeint haben , schmunzelt Zuschauerin Ilse Lillig (54): „Mir wär es jetzt lieber, der Himmel ginge zu. Text unter 1. Bild (Fotos: Zik, Ohlenbostel): Die Höhner on stage: Ihr Song „Wann geht der Himmel wieder auf geht unter die Haut. Text unter 2. Bild: Hiltrud Fischer vom Kabarett „Die Machtwächter präsentiert Auszüge aus ihrem Programm Die Brandstifter . Text unter 3. Bild und neben 4. Bild: Ohne Schirm geht gar nichts: Zuschauer vor der Synagoge in der Roonstraße (oben, links). EXPRESS / Montag, 9. November
1998 / Seite 32 / K 1 / KÖLN / Ausgabe II domols,
hück & morje ...? am Rathenauplatz Arsch huh
Zäng ussenander! 3000 sangen mit BAP & Co Von GERHARD VOOGT
und INGE WOZELKA exp Köln – Gestern kurz nach 22 Uhr vor der Synagoge in der Roonstraße. Riesenjubel brandet auf. Das große Finale der Gedenkfeier domols, hück & morje ...? – ein Treffen der kölschen Stars. Wir hören die ersten Töne eines Liedes, das (fast) jeder kennt: „Kristallnaach . 3000 Zuschauern läuft ein Schauer über den Rücken. Hanns-Dieter Hüsch tritt ans Mikro. Er spricht die erste Strophe auf Hochdeutsch. Dann singen Gigi Herr und Wolfgang Niedecken. Auf Kölsch. Gedenken vor der Synagoge. Vor 60 Jahren brannten in Deutschland in der Reichspogromnacht die jüdischen Gebetshäuser. Auch die Synagoge in der Roonstraße wurde ein Opfer der Flammen. Gedenken an 1938. Tony Polster war dabei. Warum? „Es geht hier doch um Rechtsradikalismus. Den gibt es auch auf dem Fußballplatz. Da geht es gegen meine andersfarbigen Kollegen. Kristallnaach. Danach das Lied, auf das alle gewartet haben. Die „Arsch huh -Hymne. Gesungen von allen, die an diesem Sonntag auf der Bühne gestanden haben. Auch dabei: Polizeipräsident Jürgen Roters. Arsch huh – Zäng ussenander: Henning Kraumacher und die Höhner, die Bläck Fööss, Marion Radtke, Tommy Engel – fast alle, die schon vor sechs Jahren auf dem Chlodwigplatz dabei waren, singen wieder mit. Und alle, die vor der Synagoge in der Roonstraße stehen: Wie wöhr et, wemmer selver jet däät, wemmer de Zäng ens ussenander kräät? Wenn mir dä Arsch nit huhkrieje, ess et eines Daachs zo spät. Wunderkerzen brennen ab, 3000 schwenken ihre Regenschirme im Takt. Erst als die Bläck Fööss um 20.30 Uhr ihr Veedel-Lied anstimmen, hatte auch Petrus ein Einsehen, stoppte den Dauerregen. domols, hück & morje ...? – eine Gedenkfeier, die unter die Haut ging. Nachmittags hatte Ben Zev, der Kantor der jüdischen Gemeinde, in Hut und blauem Regenmantel die Bühne betreten. Er steht vor einem Holzpult, stimmt das Gebet „Eli, eli asawtani an – „Mein Gott, warum hast du mich verlassen , Psalm 22. So beten die Juden seit dreitausend Jahren, wenn sie als Verfolgte in den Tod gehen ... In der Roonstraße ist es mucksmäuschen still. Ergreifend schildert Südstadt-Gastronom Jean Jülich seine Zeit bei den Edelweißpiraten. Applaus brandet auf, als Rolly Brings, Initiator der Feier, mit seinen Söhnen die Bühne betritt. Kein Mensch ist illegal singen sie – und viele nicken zustimmend mit dem Kopf. Oberbürgermeister Norbert Burger: „Diese Veranstaltung ist ein Mahnmal aus Musik und Lyrik. Ein Mahnmal für Toleranz, Menschenwürde, Friede und Freiheit. Text unter 1. Bild (Fotos: Zik): Ohne Schirm ging erst mal gar nichts. Trotzdem kamen 3000 zur Gedenkfeier vor die Synagoge in der Roonstraße. Text unter 2. Bild: Bewegend: Kabarettist Hanns-Dieter Hüsch liest die erste Strophe von BAPs „Kristallnaach . Text unter 3. Bild: Tommy Engel singt mit Wolfgang Niedecken ein neues Lied: „Hadder nit jesin . Text unter 4. Bild: Das große Finale: Fußball-Star Toni Polster (Mitte) singt mit der ganzen „Arsch huh -Familie die „Arsch huh -Hymne. KÖLNISCHE RUNDSCHAU / Montag,
9. November 1998, Nummer 262 / KÖLN 3000 Besucher kamen zum sechsstündigen
Gedenkkonzert vor die Synagoge an der Roonstraße Erinnerungen
an das Grauen Da wippten 3000 Regenschirme im Takt. Beim Auftritt der Höhner kam erstmals Stimmung auf bei der Gedenk- und Mahnveranstaltung „domols, hück & morje ...? gestern vor der Synagoge in der Roonstraße. Erinnern wollten die Veranstalter, allen voran Rolly Brings, an die Reichspogromnacht vor 60 Jahren. Und die Stars der kölschen Künstlerszene ließen sich nicht lange bitten. Neben den Höhnern, den Bläck Fööss und Brings traten auch Jürgen Becker und viele andere in dem sechsstündigen Programm auf. Der Satz „Ich bin Jude ging dem 70jährigen Harry nicht immer so leicht über die Lippen. Erst seit einigen Jahren habe er keine Angst mehr, seine Identität zu zeigen. Auch er harrte im strömenden Regen sechs Stunden aus. „Ich finde diesen Tag ausgezeichnet und freue mich, dass so viele Jugendliche auf diese Art ihre Solidarität zeigen , sagt er. Lobenswert fanden auch Steffi (16) und Peter (18) die Aktion: „Wir finden es klasse, dass so viele Künstler hier auftreten und sich für einen guten Zweck einsetzen. Auf der Bühne berichtete derweil Jean Pütz von seiner Jugend. „Ich habe hier in Sichtweite der Synagoge gewohnt. Eine jüdische Tante von mir ist deportiert worden. Auch Miguel Freund von der jüdischen Gemeinde erinnert in seinem Grußwort an die Pogromnacht. Damals hätten zu viele einfach weggeschaut und sich nicht widersetzt. Ben Zev, Kantor der jüdischen Gemeinde, sang zwei Gebete. 1933 zählte die jüdische Gemeinde in Köln 15 000 Mitglieder, 1938 noch 8000. Nur 50 Kölner Juden haben das Terrorregime überlebt. An die Stimmung in Köln während der NS-Zeit erinnerte Gerd Köster, der ein „damals weit verbreitetes Karnevalslied gemeinsam mit seinem Sohn Florian vortrug. Der Itzig und die Sara, die trecken fott. Hier geht es, umrahmt von einer gefälligen Melodie, um die Flucht von jüdischen Nachbarn, die von den Kölnern ausdrücklich gutgeheißen wurde. Hanns-Dieter Hüsch warnte mit ergreifenden Worten vor dem „Faschismus in uns allen . Den Schlussakkord setzte Bap mit „Kristallnaach , bevor dann alle Künstler gemeinsam das legendäre „Arsch huh -Lied sangen. Auch Toni Polster war dabei. Rolly Brings zog ein positives Fazit: „Ich finde es toll, was für ein Querschnitt von Kultur von den Künstlern hier auf der Bühne präsentiert wird. dhe/ran Text unter 1. Bild (Fotos: Stachowski / Sprügel / Rahmann): 3000 Zuschauer trotzten dem Regen bei der Veranstaltung. Zahlreiche Kölner Künstler traten unentgeltlich auf. Text unter 2. Bild: Am Schluss traten gestern Abend zahlreiche Künstler noch einmal gemeinsam auf und sangen das Lied „Arsch huh, Zäng ussenander : Hier Gigi Herr, Tommy Engel, Nick Nikitakis, Toni Polster und von Bap Wolfgang Niedecken (v.l.). Text unter 3. Bild: Rolly Brings hatte das große Gedenkkonzert vor der Synagoge initiiert. KÖLNER STADT-ANZEIGER / Nr.
261 / Montag, 9. November 1998 / 9 / KÖLN Gedenken an
Pogromnacht Musikalisch
ein Zeichen gesetzt 3000 Zuhörer
beim Konzert an der Synagoge – Auftritte vieler Kölner Künstler Von Stefan Krücken
und Horst Piegeler Die dort unten vor der Bühne, unter einem Meer von Regenschirmen, konnten den Beistand von Peter Brings gut gebrauchen. „Stark, dass ihr aushaltet. Danke , sagte der Musiker vor dem Auftritt des „Brings Clan zu den etwa 3000 Zuhörern, die trotz des eiskalten Regens, der auf sie niederprasselte, auf der Roonstraße aushielten. Mit hochgeschlagenen Mantelkrägen, frierend, durchnässt setzten die Kölner auf ihre Art ein Zeichen bei „domols, hück & morje ...? , einem Konzert, mit dem vor der Synagoge an die Pogromnacht vor 60 Jahren erinnert wurde. Wir dürfen nicht zulassen, dass sich Gewalt gegen Minderheiten in unserer Stadt wiederholt , sagte Rolly Brings, der in Zusammenarbeit mit der jüdischen Gemeinde und unterstützt von der „Akademie för uns kölsche Sproch die Gedenk- und Mahnveranstaltung organisiert hatte, in seiner Eröffnungsrede. Miguel Freund zeigte beim Grußwort der jüdischen Gemeinde die Straße herunter. „Vor 60 Jahren brannte die Synagoge. Es war ein wichtiger Einschnitt. Niemand konnte mehr sagen, er habe nichts gewusst, denn zu hell loderten die Flammen, zu laut johlte die Menge. Es dürfe kein Ende des Erinnerns geben, appellierte Freund. Oberbürgermeister und Schirmherr Norbert Burger erinnerte an etwas, was manche gerne verschweigen: Auch in Köln tobte der Hass gegen die jüdische Bevölkerung. Sich der Vergangenheit zu erinnern, bedeute mehr, als nur zurückzudenken. Man müsse auch fragen, wie es geschehen konnte, dass die Nazis millionenfachen Tod brachten. Mit zwei Liedern aus dem Warschauer Ghetto, vorgetragen von Zvi Perelmann, einem jüdischen Geschäftsmann, begann das musikalische Programm. Mehr als sechs Stunden lang traten bekannte Kölner Künstler auf, unter ihnen Bap, Renan Demirkan, das Markus Reinhardt Ensemble, die Höhner, Bläck Fööss, Viktor Böll, Anne Haigis, Peter Millowitsch und die Schäl Sick Brass Band. Alle verzichteten auf ihre Gage. Es regnete unbarmherzig vom Himmel, und doch schaffte es einer, die bibbernde Menge aufzuheitern: Kabarettist Jürgen Becker brachte „Et es am rähne , ein altes Lied des kölschen Liedermachers Jupp Schmitz. Gemeinsam mit Peter Brings und Wolfgang Niedecken spielte Tommy Engel sein neuestes Lied „Hadder nit jesin . „Die meisten Leute schauen weg, wenige mischen sich ein, wenige übernehmen Verantwortung , meinte er. Viele Zuhörer bekamen eine Gänsehaut, als Hanns-Dieter Hüsch, Toni Polster und Walter Bockmayer beim Auftritt von Bap Strophen aus „Kristallnaach zitierten. Zum Konzertabschluss sangen alle Musiker gemeinsam „Arsch huh, Zäng ussenander , und vor der Synagoge herrschte eine Atmosphäre, so intensiv wie vor sechs Jahren, als 100 000 Kölner auf dem Chlodwigplatz gegen Rassismus und Rechtsradikalismus demonstrierten. Text unter 1. Bild (Bilder: Max Grönert): ZUM FINALE gegen 22.15 Uhr traten alle Mitwirkenden noch einmal gemeinsam auf die Bühne. Sie sangen den Song „Arsch huh, Zäng ussenander und ließen den dauerregen vergessen. Text unter 2. Bild: TROTZ DES STARKEN REGENS lauschten etwa 3000 Menschen den Liedern und Reden. Text unter 3. Bild: HAUPTORGANISATOR Rolly Brings, der die Künstler zusammengetrommelt hatte, griff selbst zur Gitarre, als Teil des „Brings Clan . Text unter 4. Bild: ZVI PERELMANN eröffnete das musikalische Programm mit zwei Liedern aus dem Warschauer Ghetto.
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