11.November.2004
EXPRESS - RHEINLAND - Seite 26 - Donnerstag, 11. November 2004 Edelweißpiraten:
RP kritisiert eigenes Amt
Von ROBERT BAUMANNS
Köln - Regierungspräsident Jürgen Roters kann sich die Fotos kaum ansehen:
Menschen im Todeskampf. Aufgehängt von Gestapo-Beamten. Ohne Gerichtsverfahren,
ohne Urteil. Mitten in Ehrenfeld, vor 60 Jahren. An die unschuldigen Opfer
der NS-Zeit erinnerte Roters gestern nach einem Lichterzug. Auch die Verweigerungshaltung
seiner eigenen Behörde prangerte der RP deutlich an. Bildunterschrift
I: Der Gedenkmarsch mit RP Jürgen Roters an der Spitze gestern in Ehrenfeld.
Roters zeigt EXPRESS exklusiv Fotos, die bisher in den Akten schlummerten.
"Offenbar wurden in der Endphase des Zweiten Weltkrieges in der Ehrenfelder
Hüttenstraße wie am Fließband Menschen hingerichtet", erklärt Roters.
"Das lief [nicht mit] Urteil ab, sondern wie ein Verwaltungsvorgang. Wenn
ich die Gesichter der Gehenkten sehe, zieht sich mir der Magen zusammen."
Die Fotos zeigen die Hinrichtung von russischen Zwangsarbeitern und KZ-Flüchtlingen
am 25. Oktober 1944. Am 10. November 1944 wurden dort auch [...] Ehrenfelder
Edelweißpiraten gehängt. Ihnen blieb die Anerkennung als Widerstandskämpfer
versagt. Bildunterschrift II: Bilder voller Schrecken: Hinrichtung am
Bahnbogen in der Hüttenstraße Bildunterschrift III: "Wir haben nichts
gewusst ...!" Wirklich nichts? Gaffer bejubelten das Grauen. Letztes Jahr
rollte Roters nach einer EXPRESS-Initiative die Fälle der Edelweißpiraten
wieder auf: das Anerkennungsverfahren läuft. "Für mich waren das Widerstandskämpfer",
so Roters. "In der Vergangenheit hat meine Behörde aber nur nach Argumenten
gesucht, die beweisen sollten, dass es keine Widerstandskämpfer waren.
Man hat den Gestapo-Akten geglaubt, nicht aber den überlebenden Zeitzeugen."
stillschweigende Korrekturen, Hinzufügungen und Weglassungen in [
]: Rolly Brings
Kölnische Rundschau - KÖLN - Seite 30 - Donnerstag, 11.
November 2004 - Nummer 264
"Kein Raum für Rassisten"
Gedenkfeier zur Pogromnacht in der Kölner Synagoge
[...] In Ehrenfeld gab gestern Abend einen Lichterzug, der von der ehemaligen
Synagoge in der Körnerstraße ausging. Mit einem Ausschnitt aus dem Film
"Edelweißpiraten" und Musik der Hip-Hop-Gruppe [PI 4] der Kölner Polizei,
[des Trios SAKKOKOLONIA sowie Rolly und Benjamin Brings'] wurde der Ermordung
der Edelweißpiraten und anderer Widerstandskämpfer vor 60 Jahren gedacht.
(EB)
stillschweigende Korrekturen, Hinzufügungen und Weglassungen in [
]: Rolly Brings
Kölner Stadt-Anzeiger - 30 KÖLN - Nummer 264 - Donnerstag,
11. November 2004
Erinnerung an die Opfer des nationalsozialistischen Terrors
Warnungen vor dem Rechtsextremismus
[...] Ebenfalls am Mittwoch wurde mit einem Schweigemarsch und einer Kundgebung
der Ermordung von 13 Menschen - darunter sechs Jugendliche aus dem Umfeld
der "Edelweißpiraten" - durch die Gestapo vor 60 Jahren gedacht. Der Lichterzug
startete in der Körnerstraße, in der früher eine Synagoge stand, und bewegte
sich zur Mahntafel in der Bartholomäus-Schink-Straße / Ecke Schönsteinstraße.
Dabei waren unter anderen Regierungspräsident Jürgen Roters - er kündigte
für Januar ein Experten-Hearing zur Rechtsstellung der Edelweißpiraten
an - , der Ehrenfelder Bezirksvorsteher Josef Wirges, ehemalige "Edelweißpiraten",
[das Trio SAKKOKOLONIA], Rolly [und Benjamin] Brings und die Hip-Hop-Gruppe
[PI 4] der [Kölner] Polizei. (cs)
stillschweigende Korrekturen, Hinzufügungen und Weglassungen in [
]: Rolly Brings
Kölnische Rundschau - STADTTEILE - Seite 34 - Dienstag,
16. November 2004 - Nummer 268
Aktiven Widerstand geleistet
Gedenken an "Edelweißpiraten" -
RP Roters setzt sich für Rehabilitierung ein Von CHRISTIAN GERDENER
Ehrenfeld - Noch heute kämpft Jean Jülich um die Anerkennung als Widerstandskämpfer
gegen das Hitler-Regime. Er gehörte zur Gruppe der Kölner "Edelweißpiraten",
die im Dritten Reich die Hitler-Jugend boykottiert haben.
Zur Diskussion, ob es sich bei den "Edelweißpiraten" um aktive Widerständler
oder bloß um eine Bande Kleinkrimineller gehandelt habe, bezieht Jülich
Position. Es würden heute Leute als "Edelweißpiraten" bezeichnet, die
mit der Gruppe nichts zu tun gehabt hätten und nur durch kriminelle Handlungen
aufgefallen seien. Anlässlich des 60. Jahrestages der Ermordung von sechs
Mitgliedern der Edelweißpiraten fand jetzt in Ehrenfeld ein Schweigemarsch
statt, an dem viele ältere und auch junge Menschen teilnahmen. Mit Kerzen
in der Hand zogen sie von der alten Synagoge in der Körnerstraße in die
Bartholomäus-Schink-Straße. Hier fand vor der wieder angebrachten Mahntafel
eine Gedenkveranstaltung statt.
Am Bahndamm waren die Gruppenmitglieder 1944 ohne Gerichtsverhandlung
von der Gestapo gehenkt worden. Viele der "Edelweißpiraten" waren Kinder
aus dem Arbeitermilieu. Sie seien an ihren bunten Halstüchern zu erkennen
gewesen und hätten sich konsequent den Kontrollen der Hitler-Jugend entzogen,
erzählt Jülich. Dabei sei es zu Prügeleien mit der Streife gekommen, weil
sie ihre Pässe nicht vorzeigen wollten. "Wir wollten einfach wie junge
Menschen leben. Damals waren wir 15 oder 16 Jahre alt und haben einfach
gemerkt, dass da was nicht richtig läuft"; berichtet der frühere "Edelweißpirat".
Sie hätten Juden bei sich zu Hause versteckt und Aktionen gegen die Nazis
geplant.
"Wir hatten Wut im Bauch", so Jülich. Als ein geplanter Anschlag auf das
Gestapo-Gebäude im Vorfeld aufflog, wurden die Ehrenfelder "Edelweißpiraten"
festgenommen. Jean Jülich hatte das Glück, dass [er] nicht offiziell der
Ehrenfelder Fraktion um Bartholomäus Schink angehörte, da er aus Sülz
stammte.
Josef Wirges, Bezirksvorsteher in Ehrenfeld, forderte, nicht nur der Toten
zu gedenken, sondern auch Position gegen den wieder erstarkten Rechtsradikalismus
zu beziehen. "Und man muss anmahnen, dass die 'Edelweißpiraten' als Widerstandskämpfer
anerkannt werden", so Wirges. Regierungspräsident
Jürgen Roters:"Die 'Edelweißpiraten' sind nicht mit dem Strom geschwommen,
haben sich nicht eingegliedert in die Hitler Jugend, sondern aktiven Widerstand
gegen das Hitler-Regime geleistet". Man sei bemüht, die "Edelweißpiraten"
endlich zu rehabilitieren. "Sie haben es verdient", so Roters. "Ich freue
mich, dass meine toten Freunde, wenn auch erst nach 60 Jahren, ihre Rechtfertigung
erfahren und als Widerstandskämpfer anerkannt werden", sagte Jülich. Nach
dem Krieg habe [man] alles getan, damit die "Edelweißpiraten" Verbrecher
blieben. "Die Justizämter sind nach dem Krieg mit Nazis besetzt gewesen",
so der frühere "Edelweißpirat".
Im weiteren Programm waren auch Ausschnitte des Films "Edelweißpiraten",
der in Deutschland bisher noch keinen Verleih gefunden hat, zu sehen.
Regisseur Nico von Glasow, wie auch Schauspieler des Films, waren extra
zur Gedenkveranstaltung angereist. Musikalisch sorgte die Polizei-Band
PI 4, die in ihren Texten gegen Gewalt und Ignoranz rappen, für den passenden
Rahmen. Außerdem präsentierte Rolly Brings mit [Benjamin Brings und] "SakkoKolonia"
ein Lied nach einem Gedicht von Jean Jülich. [Bildunterschrift:] Gegen
Gewalt und Intoleranz rappte die Band "PI 4" der Polizei. (Foto: Gerdener)
stillschweigende Korrekturen, Hinzufügungen und Weglassungen in [
]: Rolly Brings
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