„Ein starker Auftritt gegen rechts"
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Kölner Stadt-Anzeiger -Nr. 55 - Montag, 6. März 2006 - Seite 26 KölnKöln stellte
sich am Samstag quer beim Aufmarsch
der Neonazis
Knapp 60 Neonazis nahmen am
Samstag an den Aufmärschen in Ehrenfeld und Porz teil. Tausend Menschen
protestierten gegen sie, ebenso viele Polizisten waren im Einsatz. VON HERIBERT RÖSGEN, CLEMENS SCHINKE UND DAMIAN ZIMMERMANN Das Kleidungsstück verstieß gegen die Auflagen,
und so musste Axel
Reitz (24), Mitglied des Kampfbundes Deutscher Sozialisten, vor dem
Abmarsch vom Ehrenfelder Bahnhof den langen schwarzen Ledermantel gegen
einen Trenchcoat eintauschen. Reitz
hatte die beiden Demonstrationen angemeldet, die am Samstag in Ehrenfeld
und Porz mit jeweils etwa 60 Teilnehmern unter dem Motto "Multikultur abschaffen" "Moscheebau stoppen"stattfanden.
Umzüge nur unter strengen Auflagen gestattetDas Oberverwaltungsgericht hatte die Umzüge
nur unter strengen Auflagen gestattet. So war es den Teilnehmern beispielsweise
nicht erlaubt, „- Uniformen, Uniformteile oder gleichartige Kleidungsstücke
als Ausdruck einer gemeinsamen politischen Gesinnung - zu tragen. Die überschaubare Gruppe der Demonstranten sorgte
für einen enormen Einsatz der Sicherheitskräfte. 1000 Polizisten aus
ganz NRW waren zusammengezogen worden, um die demonstrierenden Gruppen
auf Distanz zu halten. Das Geschäftszentrum Venloer Straße war so während
des gesamten Vormittages nur stark eingeschränkt erreichbar. Am Mahnmal für die 1944 von der Gestapo ermordeten Edelweißpiraten und
Zwangsarbeiter
hatten sich bereits ab 8 Uhr früh Menschen eingefunden. Der Kölner DGB-Vorsitzende Wolfgang Uellenberg van Dawen
und Jean Jülich,
einer der wenigen noch lebenden
Edelweißpiraten, zeigten sich zufrieden. Man habe mit
dieser Mahnwache bereits erreicht, dass das Ehrenmal
nicht durch den Vorbeimarsch von Neonazis
geschändet würde. Das musikalische Programm gestalteten Rolly Brings [& Bänd], das
Markus Reinhardt Ensemble und Klaus der Geiger [plus Begleiter]. Auf dem Ehrenfelder Neptunplatz wurde eine weitere Kundgebung unter dem Motto „"Köln stellt sich quer" abgehalten. Gewerkschaftsvertreter, Politiker und auch Vertreter der Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion (DITIB) sprachen vor mehreren hundert Menschen. Die rechten Demonstranten wurden derweil auf der
Vogelsanger Straße von einer Dachterrasse aus mit Eiern und Obst beworfen.
Nach einer „"Kundgebung"
in der Fuchsstraße führte ihr Weg zurück zum Bahnhof, von wo aus sie
die Weiterfahrt nach Porz antraten. Am Nachmittag kurz vor 14 Uhr traf der Trupp Neonazis am S-Bahnhof
Steinstraße in Porz ein und wurde auch dort von der Polizei empfangen.
Der Abmarsch verzögerte sich, weil die Organisatoren der Demo mit mehr als einstündiger
Verspätung eintrafen. Ihren einzigen Stopp für ihre Kundgebung legten
die Rechtsradikalen
in Finkenberg ein. Auch auf dem Weg durch Porz wurde der Trupp von zahlreichen Polizisten und Gegendemonstranten
begleitet. Drei Neonazis
wurden in Ehrenfeld und in Porz wegen Verstoßes gegen die Auflagen von
der Demonstration ausgeschlossen und vorläufig festgenommen. Ein weiterer, weil er
eine Schreckschusspistole bei sich hatte. Ebenfalls wegen Verstoßes gegen das Vermummungsgebot
nahm die Polizei fünf Gegendemonstranten in Ehrenfeld in Gewahrsam.
Auch in Porz wurde ein Gegendemonstrant vorübergehend in Gewahrsam genommen.
Er hatte Pfefferspray und eine Eisenkette im Gepäck.
Texte zu den Bildern von MAX GRÖNERT: 1) Musik gegen den Neonazi-Aufmarsch: Am Mahnmal in der Bartholomäus-Schink-Straße protestierten Hunderte
Menschen. 2) Rund 60
Rechtsradikale marschierten am Samstag demonstrierend
durch Ehrenfeld. Ein großes Transparent zeigt das Motto der Kundgebung:
"Multikultur abschaffen" "Moscheebau stoppen". Kommentar Seite 25Vielstimmige MehrheitBEATRIX LAMPE zum starken Auftritt gegen rechts
Düster wirkende Punks und junge Familien, biedere
Senioren und rebellische Jugendliche hatten am Samstag ein gemeinsames
Ziel: Ihr Protest gegen Neonazi-Demonstrationen
in Ehrenfeld und in Porz einte Menschen, die sonst eher wenig gemeinsame
Ziele haben. Eindrucksvoll stellte die bunte
Schar der Gegendemonstranten
klar, dass Kölner aus anderen Kulturkreisen hier willkommen sind und
ihren Glauben leben dürfen. Mit ausländerfeindlichen Parolen und dem Aufruf zum Stopp des geplanten
Moschee-Baus
mobilisierten die Rechtsextremen
nur ein kleines Häuflein, während dem Protestaufruf von Gewerkschaften, Ratspolitikern und christlichen [, jüdischen] wie auch islamischen
Religionsgemeinschaften knapp 1000 Menschen folgten. Beide Gruppen so voneinander fern zu halten,
dass es nicht zu direkter Konfrontation und Gewalt kam, war Aufgabe
der Polizei, die ein Verbot der rechtsextremen
Kundgebungen freilich lieber gesehen hätte. Immerhin kostet
die rituelle Inszenierung brauner Parolen
die Steuerzahler enorme Summen, weil zum Schutz der öffentlichen Sicherheit
1000 Beamte aus ganz NRW eingesetzt werden müssen. Wenn die Strategie
aufgeht und am Ende das Gefühl überwiegt, dass rechtsextreme Parolen
in Köln nicht auf fruchtbaren Boden fallen, haben sich der deeskalierende
Einsatz der Polizei wie auch der Protest
einer vielstimmigen Mehrheit aber gelohnt. Farbige Hervorhebungen,
Ergänzungen und stillschweigende Korrekturen [ ... ] von R.B.
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