Liebeserklärung und Hasstirade"

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WELT am SONNTAG -6. August 2006

Im neu erschienen Band "47&11 - Echt Kölnisch Lyrik" sind 58 Köln-Gedichte aus Vergangenheit und Gegenwart versammelt

Liebeserklärung und Hasstirade

KEINE ANDERE deutsche Stadt ist besser dazu geeignet, in Gedichten besungen zu werden, als Köln. Wo doch schon die kölsche Alltagssprache einen Hang ins Lyrische erkennen lässt. Und zumal es dem Selbstverständnis der Kölner entspricht, ihre an Widersprüchen reiche Lebensart gerne als Lebenskunst zu deuten und zu erklären.

Mithin ist es also nicht weiter verwunderlich, dass soeben ein Buch erschienen ist, in dem ausschließlich Gedichte über Köln abgedruckt sind. Der so programmatische wie poetische Titel des Bändchens lautet: "47&11 - Echt Kölnisch Lyrik". Zwischen den blau-goldenen, im Kölnisch-Wasser-Stil gehaltenen Buchdeckeln stehen 47 Gedichte lebender Autoren und 11 Werke vergangener Meister. Sentimentale Köln-Hymnen à la Willi Ostermann sucht man dort allerdings vergebens.

Dafür kommt, natürlich, Heinrich Heine vor, der es in seinem "Wintermärchen" schafft, in einer einzigen Strophe die Kölner "Klerisei" mit ihren "Dunkelmännern" zusammenzudichten. Auch was er über den Dombau („"O törichter Wahn!") schreibt, muss man sich unbedingt einmal wieder zu Gemüte führen in diesen Tagen, in denen so getan wird, als wäre Köln nichts ohne freie Sicht auf den Dom.

Aber nicht nur das bekannte Lästermaul Heine, auch die Westfälin Annette von Droste-Hülshoff traute sich, manchen kritischen Vers in ihrem Gedicht "Die Stadt und der Dom" zu schmieden. Ja, die großen Dichter, sie haben sich abgearbeitet an den Kölner Mythen: Johann Wolfgang von Goethe fasste vor gut 180 Jahren den "Cölner Mummenschanz" in Worte.

Soweit die ungläubig staunenden Blicke der Fremden, die Köln von außen betrachten und nie so ganz verstehen. Ihnen gerät der Tonfall oft eine Spur zu lobhudelnd - oder auch zu kritisch. Hannelies Taschau beschreibt diese Antihaltung des Nicht-Kölners in einem erläuternden Text zu ihrem Köln-Gedicht: "Die besondere Beziehung zu Köln ist also eine Erinnerung an anfängliche Abwehr, ich wollte mich nicht beeindrucken lassen."

Beides zusammen, Liebeserklärung und Hasstirade in einem, gelingt am besten den Kölnern selbst. Wie zum Beispiel die Verse Trude Herrs beweisen. Herr schreibt schon lange vor den großen Korruptionsaffären der vergangenen Jahre folgenden bitteren Satz: „"Klüngel es e krank Sediment, wer drüvver laach, die Stadt nit kennt." Und beendet ihr Gedicht mit den Worten: "Ob söös oder better ... jot oder schlääch - et es ming Stadt."

Oder, mit den Worten des Rockmusikers Stephan Brings: „"Denn du bes zwesche Himmel un Höll." Übrigens sind die wenigen in Kölsch verfassten Texte mit hochdeutscher Übersetzung versehen.

Überhaupt hat der Herausgeber und Mitautor Axel Kutsch überaus liebevoll und sorgfältig gearbeitet: Die Gedichte der 47 Gegenwartsautoren werden ergänzt durch je einen Prosatext. Manche nicht-kölschen Autoren (Hannelies Taschau, Franz Hodjak, Christoph Leisten, Amir Shaheen, Björn Kuhligk) schildern darin ihre biografische Annäherung an Köln.

Andere liefern in diesen Zusatztexten eine Art Werkstattbericht und geben Auskunft darüber, wie ihr Gedicht entstand. Jürgen Becker erklärt, was ihn dazu bewegte, über Türkenkinder und Mauerrisse zu schreiben. Lutz Rathenow, der tatsächlich ein Gedicht über "4711" beisteuerte, fragt sich, wie er eigentlich in der DDR an den 4711-Duft kam. Und der Kölner Markus Peter sinniert in seinem Begleittext darüber, von welchen Köln-Klischees sein Gedicht auf keinen Fall handeln sollte. So ist dieser Gedichtband auch ein Buch für Nicht-Gedichte-Leser. Und ein Stadtführer in Versen.

Andreas Fasel

47&11

Echt Kölnisch Lyrik

Herausgegeben von Axel Kutsch

144 Seiten

20 Euro

ISBN 3-935221- 60-6

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