Bunte Funken gegen braune Halunken
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Kölnische Rundschau – KÖLN – Montag, 9. Mai 2011 – Seite 27


„Bunte Funken gegen braune Halunken“


„Pro-Köln“-Kundgebung endet bereits am Heumarkt

Mehr Polizisten als Demonstranten


Von JAN WÖRDENWEBER und DANIEL TAAB


Kurz vor 16 Uhr wendet es sich für Köln zum Guten. In Frankfurt fällt das 1:0 für den FC, und am Heumarkt machen rund 350 rechtsgerichtete Demonstranten kehrt. Statt durch die City zu marschieren, geht es wieder zurück zum Deutzer Bahnhof.

Dort hatte am Samstagmorgen der rechte Spuk begonnen, verbunden mit einem Großeinsatz der Polizei, der ein Verkehrschaos unausweichlich machte. Um die Anhänger von „Pro Köln“ sowie rechtsextremer Gruppierungen und über 1000 Gegendemonstranten auseinander zu halten, mussten nicht nur die Deutzer Brücke und alle Zufahrten gesperrt werden. An vielen Stellen rund um die Deutzer Freiheit, Bahnhof und Altstadt ging es für Verkehrsteilnehmer wie Fußgänger nicht weiter. Die KVB-Linien 1 und 9 wurden zwischen Deutz und dem Neumarkt getrennt. Knapp 3000 Beamte waren laut Polizei im Einsatz – mehr als Rechte und Gegendemonstranten zusammen.

Der Protest gegen die Rechtspopulisten und Rechtsextremen beginnt in St. Heribert mit einem ökumenischen Gottesdienst, der von den Pfarrern Franz Meurer und Dorothee Schaper geleitet wird. DGB-Sprecherin Sigrid Wolff spricht von einem Skandal, dass der von „Pro Köln“ initiierte „Marsch der Freiheit“ an dem Bahnhof startet, wo einst Juden deportiert wurden. Hannelore Bartscherer, Vorsitzende des Katholikenausschusses, betont, nicht die Fremden seien eine Bedrohung für Freiheit, sondern „eine Ordnung, die Unterdrückung zementiert“.

Immer wieder gibt es Beifall; unter anderem wird der Koran zitiert: „Gott ist zornig auf die, die ihren Verstand nicht nutzen.“ IG-Metall-Geschäftsführer Wolfgang Rasten bekommt Applaus, als er die Worte von Nelson Mandela hervorhebt: „Ich bin nicht wahrhaft frei, wenn ich jemandem die Freiheit nehme.“

Etwa zeitgleich warten am Deutzer Bahnhof 100 Rechte und werden mit Polizeischutz zur Deutzer Freiheit gebracht. Unter Bäumen finden die ersten Reden statt, es schallt Opernmusik aus Lautsprechern. Eine Polizistin meint: „Die führen ein Schattendasein.“ Einer Hundertschaft aus Aachen fällt ein Teilnehmer der rechten Demo auf: An seiner rechten Halsseite ist ein „SS“-Zeichen tätowiert. Die Beamten schreiben eine Anzeige wegen des Tragens verfassungsfeindlicher Symbole.

Der Beginn des Fußmarsches verzögert sich: Am Bahnhof Opladen haben etwa 100 linke Demonstranten die Gleise blockiert: Auswärtige Teilnehmer der rechten Demo können nicht in den Bahnhof einfahren. Bis 16 Uhr kommt es im Bahnverkehr zu großen Beeinträchtigungen für Pendler. Die Verursacher der Sitzblockade müssen mit Bußgeldverfahren rechnen.

Noch bevor der „Pro-Köln“-Aufmarsch startet, setzt sich der Zug der Gegendemonstranten von St. Heribert zur Frankenwerft in Bewegung. Bürgermeisterin Elfi Scho-Antwerpes geht an der Spitze; dem Aufruf des Bündnisses „Köln stellt sich quer“ folgen mehrere hundert Bürger, darunter SPD-Vorsitzender Jochen Ott und Bundestagsabgeordneter Volker Beck (Grüne). Doch schon an der Deutzer Freiheit geht es nicht weiter. Polizisten aus Bochum verwehren minutenlang den Durchlass und erweisen sich als ortsunkundig. Scho-Antwerpes, Bartscherer und Journalisten helfen beim Lesen des Stadtplans. An der Leichlinger Straße folgt die nächste Sperre, diesmal von der Bundespolizei. Am anderen Rheinufer warten mehrere hundert andere Gegendemonstranten mit DGB-Chef Andreas Kossiski auf ihre Verbündeten. Derweil treten die Kabarettisten Fatih Cevikkollu und Robert Gries auf.

In der City kommt es gegen Mittag zu einem kleinen Zwischenfall: 30 Mitglieder des „Bündnisses gegen Pro Köln“ wollen an der Hohe Straße eine Absperrung durchbrechen. Polizisten setzen Pfefferspray ein – die Demonstranten fliehen.

Um 12:50 Uhr erreichen die Gottesdienst-Besucher unter Beifall die Frankenwerft, wo Rolly Brings und Band auftreten [siehe Fotos von Michael Maye auf dieser Homepage]. „Wir zeigen dem Häuflein Elend die Rote Karte“, ruft Scho-Antwerpes ins Mikrofon und erinnert daran, dass die ersten Kölner Ausländer waren. Bartscherer spricht von einem „jämmerlichen Versuch, das freiheitliche Leben in Köln zu attackieren“. Unter dem Beifall der rund 1000 Teilnehmer wendet sich NRW-DGB-Chef Andreas Meier-Lauber an die „Irregeleiteten“: „Stört es euch nicht, dass ihr nicht alle Hermann oder Adolf heißt, sondern Kevin, David oder Judith?“ Und: „Wir können nicht glauben, dass ihr nur deutschen Bananen esst.“

Auf der anderen Rheinseite treffen gegen 13:45 Uhr die rechten Demonstranten mit Bussen ein, die zuvor in Opladen im Zug festgesessen hatten. Eine Viertelstunde später setzt sich der Marsch in Bewegung. „Nazis raus“, schallt es ihnen in Höhe des Maritim entgegen, wo Hotel-Mitarbeiter von einem Turm aus skandieren.

Von der Frankenwerft und vom Heumarkt, wo sich Vertreter linker Bündnisse und einige Autonome eingefunden haben, schallt der „Pro-Bewegung“ und deren Verbündeten lautstarker Protest entgegen. „Bunte Funken, statt braune Halunken“, steht auf dem Kostüm einer Gegendemonstrantin, die als Funkenmariechen verkleidet ist.

Auf der Gegenseite wird provoziert: Als sich die Kundgebung von „Pro Köln“ dem Ende neigt, streift ein Teilnehmer eine Burka über. Die Polizei greift ein, der Mann muss das Kleidungsstück ablegen – wegen des Vermummungsverbots.


[Texte unter den vier Fotos von Gauger / Meisenberg]

1) „Köln stellt sich quer“: Über 1000 Gegendemonstranten bekunden an der Frankenwerft ihren Protest.

2) Der Marsch der rechten Demonstranten war von kurzer Dauer. Am Heumarkt wurde nach einer Kundgebung kehrt gemacht.

3) Ausnahmezustand auf der Deutzer Brücke, die seit dem frühen Samstagmorgen gesperrt war.

4) „Köln ist bunt und nicht braun“: Stephan Brings [Brings] spielte mit seinem Vater Rolly Brings, [seinem Bruder Benjamin Brings (Papallapap), Wolfgang Klinger (Bänd) und dem Freund seiner Tochter, Chris Pulm] an der Frankenwerft.


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