„Ein nimmermüder Mahner tritt ab“
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Kölner Stadt-Anzeiger – KÖLN – 28. Oktober 2011 – S. 28


Ein nimmermüder Mahner tritt ab

JEAN JÜLICH

Mehr als 400 Menschen verabschieden Edelweißpiraten – Geheime Tonaufnahme

VON HELMUT FRANGENBERG

Jean Jülich wusste immer, wie er seine Mitmenschen fesseln konnte.

Das bewies er ein letztes Mal auf der eigenen Beerdigung.

Die meisten der Trauergäste dürften eine Gänsehaut bekommen haben, als seine Stimme in der Trauerhalle ertönte und noch einmal eines seiner Lieblingslieder zu hören war:

Du Paradies am Rhing, Colonia, met dingem Dom, Colonia, du bes mi Hätz, bes minge Sonnesching.“

Jülich hatte eine neue letzte Strophe hinzugefügt, in der er sich von seiner Familie, seinen Freunden und Weggefährten verabschiedete:

Dot jet kriesche, ävver dann och widder laache.“

Jülich war vor drei Jahren heimlich ins Tonstudio gegangen und hatte die Aufnahme anschließend seiner Sekretärin übergeben.

Im Falle seines Todes solle sie die Aufnahme seiner Ehefrau übergeben.

Mehr als 400 Trauergäste waren auf den Südfriedhof gekommen, um sich von dem kölschen Original zu verabschieden.

Freunde und Weggefährten, Musiker, Politiker und viele Vertreter von Karnevalsvereinen waren gekommen.

Jülich war stets im Wortsinn volksnah, dabei war er immer auch ein kritischer Geist und in diesem Sinne konsequent“, sagte Oberbürgermeister Jürgen Roters in seiner Trauerrede.

Er würdigte Schang Jülichs Engagement in vielen Bereichen.

Glücklicherweise habe er viel in Büchern, CDs und im Internet zurückgelassen, „was dauerhaft im öffentlichen Bewusstsein nachklingen wird“.

Roters und Johannes Quirl, der Pfarrer aus Jülichs Viertel – von Jülich “dä singende Pastur vun d’r Vringsstroß“ genannt – , erinnerten an seinen unermüdlichen Kampf gegen Extremismus und für die Rehabilitation der zeitweise von einigen verunglimpften Edelweißpiraten.

Der Verstorbene hatte sich als 13-Jähriger während des Zweiten Weltkriegs der unangepassten Jugendgruppe angeschlossen.

Er sei als Jugendlicher in einer Zeit von Terror, Diktatur und Zerstörung bestrebt gewesen, „gradlinig, konsequent und menschlich zu bleiben“, so Roters.

Mit seinem Tod trete ein „nimmermüder Mahner und Warner von der Bühne ab.“


[Text unter dem Bild von SCHWARZ]:

Kölsche Musiker am Grab von Jean Jülich:

Tommy Engel, Jürgen Fritz, Stephan Brings, Kai Engel und Rolly Brings (v. l.)

 

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