Rundschau – RHEIN-BERG –
Samstag, 25. Februar 2012 – Seite 54
Leben, um den Tod zu begreifen
Rolly Brings und Band
mit „Kölschem
Dudedanz“ im Hause Pütz-Roth
Von KLAUS PEHLE
BERGISCH GLADBACH.
Rolly Brings lebt. Das war zu
erwarten, obwohl der Tod Thema des Abends war. Aber Rolly Brings lebt
auf der Bühne. Sitzt da, vor 300 Leuten, mit der Gitarre in der Hand
– und lebt.
Nun ist im biologischen Sinne die
Fortpflanzung Hauptmerkmal vom Leben. Darum ging es am
Donnerstagabend im Bestattungshaus Pütz-Roth nur am Rande, auch wenn
es an den entsprechenden Stellen durchaus diese typischen quieksenden
Lacher gab, die nur Frauen bei diesem Thema herausbringen. Und auch,
dass Rolly Brings Vater [einer Tochter,] dreier Söhne und Opa von
sieben Enkelkindern ist, kam zur Sprache und spielte auch eine Rolle.
Tradition, Werte und
Gedanken
Die Hauptrolle aber, das war das
Leben im kulturellen Sinne. Die Weitergabe von Traditionen, das
Vermitteln von Werten und Gedanken, vom Austausch der Generationen.
Wie sich ein Individuum im System der es umgebenden Gesellschaft
entwickelt, wie die Gesellschaft es formt, ohne ihm dabei seine
freiheitliche Entwicklung zu nehmen. Vom Leben bis zum Tod. Der Tod
war das Thema, an diesem Abend aber nur Vehikel für etwas
Übergeordnetes. Der Tod diente als existenzielles Exempel für den
Umgang mit Gefühlen. An keinem Punkt der menschlichen Chronik sind
die Gefühle wohl stärker als beim Verlust eines geliebten Menschen.
Dass dabei das Lebensalter keine Rolle spielt, das machte
Veranstalter Fritz Roth mit dem Benefizzweck des Abends
deutlich: Der Erlös des Abends geht an „Domino“. Der
Verein hilft Kindern und Jugendlichen bei ihrer Trauer.
Damit ihre Seele nicht vereist, so
wie die eines Charakters aus Rolly Brings’ Erzählungen.
Zweieinhalb Jahre habe der keine Träne über den Verlust seiner früh
gestorbenen Mutter weinen können. Brings nimmt das Thema, greift es
mit der Gitarre auf und macht einen Blues daraus.
Die Musik aus dem Mississippi-Delta
besitzt die richtige Klaviatur für Brings’ Anliegen. Helmut
Kraus am elektrischen Bass, Wolfgang Klinger und Brings
selbst an der akustischen Gitarre, bilden ein minimalistisches
Blues-Set, das die Gefühlsvarianz der nordamerikanischen Musik voll
ausschöpft, um die meist kölschen Texte über das Thema Tod und
Verlust mit all seiner emotionalen Wucht in das Publikum zu
transportieren. Angst und Wut spiegeln sich dabei in Brings’ Augen,
er beginnt zu schwitzen. Trauer und Traurigkeit sind hier nicht
gespielt, sondern erlebt und weitergegeben.
Wie eine Trauerfeier im ganz
privaten Kreis ist die Dramaturgie vom „Kölsche Dudedanz“
aufgebaut. Am Anfang ist man allein mit dem Schrecken, der Wut und
dem ungläubigen Unverständnis. Dann aber Austausch und
Kommunikation; gemeinsame Trauer bildet langsam eine Basis für das
Zulassen der Gefühle. Vertrauen in die Gemeinschaft, das Erkennen,
mit den Gefühlen nicht allein zu sein. Gemeinsame Tränen bringen
die allein erlebte Trauer in einen bewegten Fluss, mit dem Toten
gemeinsam erfahrene Erlebnisse bauen eine lebendige Brücke, die
einen Weg bildet, der sogar zu Ausgelassenheit führen kann.
Der Abend mit Rolly Brings ist keine
Show, das ist kein Kulturprogramm, das ist Kultur.
[Text unter dem Foto von VOLKMANN]:
Das Leben und der Tod sind seine
Themen: Rolly Brings (M.) beim Konzert.
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