Kölnische Rundschau – Donnerstag, 8. November 2012 – Seite 1
Misstöne bei „Arsch huh“
KÖLN. Einen Tag vor der Neuauflage der „Arsch huh“-Kundgebung in Köln gibt es Kritik.
Rolly Brings begründet seine Absage gegenüber der Rundschau damit, dass viele Künstler aufträten, die sich abseits der TV-Kameras nicht engagierten.
Kabarettist Jürgen Becker spottet in einem eigenen Beitrag über die Kölschtümelei der Mitwirkenden.
(mft) Rheinland
Kölnische Rundschau – RHEINLAND – Donnerstag, 8. November 2012 – Seite 40
Morgen findet in Köln die Kundgebung „Arsch huh, Zäng ussenander 2012“ auf der Deutzer Werft statt – genau 20 Jahre nach dem legendären Konzert auf dem Chlodwigplatz.
Allerdings gibt es diesmal im Vorfeld nicht nur Harmonie.
Ein ganz großer kölscher Auftritt
Bei der Neuauflage von „Arsch huh“ treten morgen über 200 Künstler auf
Von JENS MEIFERT
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Allerdings gab es im Vorfeld Misstöne:
Rolly Brings sagte seinen Auftritt wieder ab (siehe Interview), Kabarettist Jürgen Becker, Pfarrer Franz Meurer und Historiker Martin Stankowski wollten wegen inhaltlicher Beschränkung von Anfang an nicht dabei sein.
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„Es wird auf jeden Fall Geld übrig bleiben“, sagt Pütz.
Und es gebe genug soziale Initiativen, „die wir unterstützen wollen“.
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INTERVIEW
„Ich gehöre da nicht hin“
Rolly Brings (69) hat seinen Auftritt bei „Arsch huh“ abgesagt.
Über die Beweggründe sprach Jens Meifert mit dem Künstler.
Sie haben in einem offenen Brief Ihren Auftritt abgesagt.
[ siehe: www.rollybrings.de ]
Warum genau wollen Sie auf der Deutzer Werft nicht dabei sein?
Es geht hier um eine thematische Veranstaltung, da kann es nicht das Interesse der Künstler sein, einmal auf die Bühne zu hüpfen und wieder abzutreten.
Die Zeit muss mindestens so lang sein wie der Song; unser Lied ist eine halbe Minute länger als die fünf Minuten, die [im Bühnen-Programm für Rolly Brings & Bänd & Fründe] vorgesehen waren.
Wir hatten zudem gehofft, dass ich als Frontman noch einige Sätze sagen kann, was [uns] das Lied überhaupt bedeutet.
Sie haben auch beklagt, dass Sie erst sehr spät eingeladen worden sind.
Ja, das bedurfte erst zahlreicher Anfragen von anderen Künstlern und Fans bei den Organisatoren.
Die Einladung kam dann mit 100 Tagen Verspätung an.
Ist Ihnen die Kundgebung insgesamt zu kommerziell?
Fürchten Sie, am Ende wir es nur ein großes Konzert?
Diese Gefahr lag von Anfang an in Luft.
Ich kann nur für mich reden:
Seit Jahrzehnten engagiere ich mich, wenn sich der unselige braune Geist breitzumachen droht oder etwas gegen soziale Kälte getan werden muss.
Viele der Künstler, die nun auf der Deutzer Werft auftreten, habe ich nie gesehen, wenn keine Fernsehkameras dabei waren.
Da habe ich gesagt: Ich gehöre da nicht hin.
Gibt es noch etwas zu rütteln an der Absage?
Nein, und ich habe viel Zuspruch für meine Entscheidung bekommen.
Auch von einigen, die morgen auftreten – übrigens.
IM WORTLAUT
„Darf man Arsch huh verarschen?“
Jürgen Becker hat den Organisatoren wegen massiver Kölschtümelei früh eine Absage erteilt.
Auf seiner Homepage
[ www.juergen-becker-kabarettist.de ] hat er nun eine Art Begründung veröffentlicht.
Wir dokumentieren sie in Auszügen.
„ … Der Versuch, die Nazis mit der Androhung penetrant kölscher Musik aus der Stadt zu treiben.
Das ist richtig und gut, dass Köln hier Flagge zeigt.
Denn rechts-extremes Gedankengut entsteht ja immer aus übertriebener Liebe zu dem Ort, an dem man geboren ist.
Aus unreflektierter, stumpfer Heimatverbundenheit.
Wenn man denkt, die eignen Kultur, das eigene Volk und die eigene Lebensweise sei das Beste auf der Welt und für die Welt.
Ein Gedanke, der Köln bekanntlich komplett fremd ist.
Und das demonstriert man, indem ausschließlich Kölner Bands in Köln vor Kölnern mit einem Kölsch in der Hand auf kölsch singen, wie schön kölsch-multikulturell et en Kölle is.
Viva Colonia.
Et Hätz vun der Welt, dat schläät in Kölle.
Dass dies den Musikern selbst aufgefallen ist, zeigt die hurtige Einladung des Kölner Comedian Fatih Cevikolu.
Böse Zungen behaupten, das Jubiläumskonzert wäre so multikulturell wie ein schlesischer Heimatabend mit Erika Steinbach.
Eine absolut kölsche Monokultur.
Dabei stimmt das nicht.
In Köln haben inzwischen schon 60 Prozent der Kinder Migrationshintergrund, also die absolute Mehrheit hat ausländische Wurzeln.
Deshalb ist Arsch huh von dem Vorwurf, eine kölsche Selbstbeweihräucherung zu sein, per se befreit.
Denn wenn man ein echt kölsches Konzert wollte, müsste man ja die Imis, die Zugezogenen auf die Bühne holen, denn die haben die Mehrheit und sind ohnehin die einzig wahren Kölner.
Die haben sich ja größtenteils bewusst für diese bekloppte Stadt entschieden.
Die eingeborenen Stimmungssänger sind ja nur zufällig da entbunden worden, also Zufalls-Kölner, die einfach immer in der Stadt hängen geblieben sind.
Halt Menschen, die den Arsch nie hoch bekommen haben.
Genau wie ich.“ |