Stachel im Fleisch der Stadtgesellschaft“
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LOKALBERICHTE – Kölner Zeitung für sozialistische Politik – 7. 12. 2012 – letzte Seite

Stachel im Fleisch der Stadtgesellschaft

120 Stühle in einem Saal, in dem dann etwa 300 Menschen dichtgedrängt der Musik und den Reden zuhörten; dazu nach Angaben des Veranstalters noch ca. 700 Interessierte, die sich auf die Räume des Hauses verteilten – das war die Einweihung der Erweiterung des NS-Dokumentations-zentrums im EL-DE-Haus am Abend des 2. Dezember.
Wenn Oberbürgermeister Roters, der die Einrichtung als "Stachel im Fleisch der Stadtgesellschaft" kennzeichnete mit seiner Behauptung Recht hatte, dann scheinen viele Kölner(innen) den Schmerz dieses Stachels, der immer wieder daran erinnert, alles zu tun, damit sich die Geschichte von Diskriminierung, Verfolgung, Naziterror und millionenfachem Mord nicht wiederholt, überaus notwendig zu finden.
Kaum ein anderes Kölner Museum wird von so vielen Menschen geschätzt, besucht und auch unterstützt.
Diese Tatsache massenhaften bürgerschaftlichen Engagements wurde durch den massenhaften Besuch des Festaktes noch einmal unterstrichen.
Vier lange Jahre dauerte es, wie Dr. Werner Jung, Direktor des Museums, das eben nicht nur Museum, sondern in einem auch Gedenkstätte, Forschungsstelle und Lernort ist, darstellte, bis nach dem Beschluss des Rates über die Erweiterung das Vorhaben auch umgesetzt wurde – und man kann sagen:
Das Warten hat sich gelohnt.
Seien es der neue Saal, in dem endlich auch größere Veranstaltungen stattfinden können, das Geschichtslabor, der Gewölbekeller oder die dringend nötige Erweiterung der Fachbibliothek und des Depots:
Die Erweiterung bzw. der Umbau, der in für Köln unübliche Weise im Kostenrahmen blieb, hat sich gelohnt.
Davon konnten sich die Besucher(innen) nach dem offiziellen Teil des Festaktes überzeugen und sie machten von diesem Angebot regen Gebrauch.
Wobei dieser "offizielle Teil", der, wie es sich gehört, geprägt war vom Dank des Hausherren und den guten Wünschen von Oberbürgermeister Roters und dem Vorsitzenden des Fördervereins Peter Liebermann sowohl ergreifende als auch fröhliche Momente hatte:
Ergreifend nicht nur das Lied von Rolly Brings [& Bänd] "EL-DE-Huus" über das Schicksal einer 1944 eingekerkerten und später ermordeten jungen Ukrainerin, sondern auch der Bericht des Musikers Markus Reinhardt über die Anstrengungen, die nötig waren, seiner Sinti-Großfamilie die Zustimmung dazu abzuringen, dass sein Vater, der als Sinto nach Auschwitz verschleppt wurde, dem NS-Dokumenta-tionszentrum ein Interview über sein Schicksal geben durfte.
Bei einem Volk, dessen Sprache nicht verschriftlicht wurde und das "Interna" nicht nach außen dringen lässt, keine Selbstverständlichkeit.
Umso beeindruckender dann die Reaktion der nachgeborenen jugendlichen Mitglieder der Familie Reinhardt, die vom Bericht des Großonkels so beeindruckt waren, dass sie Auschwitz besuchen wollen, um den Ort des Massenmordes mit eigenen Augen zu sehen.
Und dennoch fröhlich manche Lieder, die das Markus Reinhardt Ensemble und Epstein's Klezmer Tov Trio am Sonntagabend spielten.
Noch ist der Umbau zwar zum großen Teil aber noch nicht völlig abgeschlossen.
Insbesondere fehlt noch die würdige Gestaltung des Hofes, auf dem viele Gefangene ermordet wurden und der bisher als Park- bzw. Platz für Mülltonnen genutzt wurde.
Wenn im Frühjahr 2013 auch diese Planung umgesetzt ist, kann Köln auf sein NS-Dokumentationszentrum noch stolzer sein als bisher.
Es wäre schön, die Räte anderer Städte würden sich in dieser Frage an Köln ein Beispiel nehmen.

tri

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