Kölner Stadt-Anzeiger – Quer durch Köln – Donnerstag, 27. Juni 2013 – Seite 36 und Seite 37
Der Blücherpark feiert den 100. Jahrestag seiner Eröffnung
Auszeit vom Bandenkrieg
Rundgang mit Rolly Brings durch den "Blömeling", dem er ein Lied gewidmet hat
VON ROLLY BRINGS (LIEDTEXT)
UND BERND SCHÖNECK
Von 100 Jahren Blücherpark hat der kölsche Musiker und Vater der Brings-Rocker Peter und Stephan knapp 70 Jahre aktiv erlebt – sein Leben ist mit dem Park verbunden.
"Meine Eltern lernten sich 1931 bei einem Parkfest kennen – ohne den Blücherpark gäbe es also die Familie Brings nicht", sagt Rolly Brings beim Rundgang.
Wenn fään hinger Lunke
em Norde de Naach steich,
am Kahnes de Määl singk,
die Autobahn nit schweich;
dann kumme die Zombies
un schwevve em Mondsching
un fiere ehr Party
he em Blömeling …
Wenn fern hinter Longerich im Norden die Nacht steigt, am Kahnweiher die Amsel singt, die Autobahn nicht schweigt; dann kommen die Zombies und schweben im Mondschein und feiern ihre Party im Blücherpark …
Als Junge, der in der Neuehrenfelder Eisheiligenstraße aufwuchs, war er oft bis spät abends im Park.
Die Trümmerhaufen, die er nach dem Krieg bis dahin durchquerte, empfand er als völlig normal.
An die lärmende A 57 hat er sich dagegen nie gewöhnt – und daran, dass der Park nun zum Bezirk Nippes gehört.
"Das versteht kein Ehrenfelder", meint er.
Bilderstöckchen war nicht mehr als ein paar Häuser, längst noch kein eigener Stadtteil.
"Dort gab's viele Felder – und am heutigen Schiefersburger Weg eine Tierkörperverwertung, deren bestialischer Gestank je nach Wetterlage über dem Park hing. Für uns ein schrecklicher Ort."
… met Limo un Knuutsche
un Schwofe beim Döring:
Do spillt die Kapell Edeltraud.
Dä Sound es zom Hüüle,
es jot jäje Zantping,
ävver – sei spillt schön laut.
… mit Limo und Knutschen und Schwofen beim Döring: Da spielt die Kapelle Edeltraud. Der Sound ist zum Heulen, ist gut gegen Zahnschmerzen, aber- sie spielt schön laut.
Nahe des Gürtels, wo heute Kleingärten sind, lag das Tanzlokal Döring.
Die dort spielende Band Edeltraud hat Rolly Brings bis heute im Ohr.
"Sie machten vor keinem Musikstil Halt und spielten furchtbar schräg – aber das war den Gästen egal: Hauptsache laut."
Nebenan, in einer Senke, liegt der sanierte Bolzplatz.
"Es waren mal Feldhandball-Plätze, das erklärt die seltsamen Maße", so Brings.
"Das Areal liegt deshalb tiefer, weil es Abbaugebiet einer Ehrenfelder Ziegelbrennerei war."
En dä Bröh vun dem Kahnes,
do bade die Nixe
un halde mem Mond ehre Klaaf.
Dat Löwe-Kwartett,
dat es dauv op de Ohre
un knöttert nor: Dreimol Alaaf!
In der Kahnweiher-Brühe baden die Nixen und reden mit dem Mond. Das Löwen-Quartett hat taube Ohren und knurrt nur: Dreimal Alaaf!
"Damals war die Wasserqualität viel schlechter, oft stank der Weiher regelrecht", weiß Brings.
Die Fontäne habe das geändert.
"Als Kinder haben wir uns vorgestellt, im Weiher schwimmen Nixen und Fabelwesen."
Auf den steinernen Löwen an den Treppen zur Balustrade hat er als Kind Platz genommen – wie heute auch seine Enkel.
Un unger dä Jeister,
do bütz dann dä Manes
et Jrietche janz steekum
ungerm Zeppelin.
Die HJ, die jeit laufe
samp Führer-Schlabberdanes,
weil do am Hexehüsje
die Navajo-Bande sin.
Und unter den Geistern küsst der Hermann die Grete heimlich unterm Zeppelin. Die HJ flüchtet samt Fähnleinführer, weil am Hexenhäuschen Navajo-Banden ("unangepasste" Jugendgruppen) sind.
"Den Pavillon nannten wir Hexehüsje; nach dem Krieg konnte man Munitionseinschläge im Gemäuer sehen."
Ein Treff für Verliebte – und Jahre zuvor für Edelweißpiraten.
Zu vielen hatte, und hat, er guten Kontakt.
"Dort warteten sie auf HJ-Streifen. Dann wurde gekämpft, weglaufen galt nicht."
Un us dä Trümmer-Veedel,
vum Ihrefeld un Neppes:
Mer Pänz spillte all he em Park.
Dä Blömeling wor Frei-o
för Pitter, Häns un Drickes.
Selvs jäje d'r Jääch wore mer stark.
Und aus den Trümmervierteln Ehrenfeld und Nippes spielten wir Kinder alle hier im Park. Der Blücherpark war Frei-Ort für Peter, Hans und Heinrich. Selbst gegen den Park-Aufseher waren wir stark.
Frieden hielten im Park hingegen Jugendcliquen, die in den Veedeln ihre Reviere hatten.
"Es war neutrales Gebiet – man musste nicht schauen, ob fremde Banden da waren. Nur auf Erwachsene mussten wir achten", lacht er.
Speziell auf eine Person – die Kinder jagte, die auf Bäume kletterten oder im Weiher badeten.
"Für uns war er d'r Jääch, der Gärtner", so Brings. "Vor ihm hatten alle Angst. Bis heute ist mir nicht ganz klar, ob er wirklich bei der Stadt angestellt war."
[Text unter dem Foto von MARTINA GOYERT]:
Rolly Brings' Biographie ist eng mit dem Blücherpark verknüpft.
Ponys, Boule, kölsche Alphörner und zweimal Brings
Am 6. Juli steigt im Blücherpark ein ganztägiges Fest zum 100. Jahrestag der Eröffnung.
Die Schirmherrschaft hat Bezirksbürgermeister Bernd Schößler (SPD) übernommen; auch die Bezirksvertretung Nippes hatte für das Geburtstagsfest 5000 Euro aus ihrem Etat für bezirksorientierte Mittel spendiert.
Mehrere Firmen und Institutionen unterstützen zusätzlich das Fest finanziell und organisatorisch: GAG und AWB, die Radeberger-Gruppe (Sion-Kölsch), die Rhein-Energie, die Agentur Rheingold Event Services, die Sparkasse KölnBonn und der Immobilien-Entwickler Stefan Frey.
Ferner das Grünflächenamt der Stadt, die Kölner Grün-Stiftung und der Sportverein S. u. S. Nippes 12 – der mit seinen Mitstreitern für Sport- und Spielangebote sorgen sowie Geräte stellen wird.
"Wir wurden im Vorjahr ja auch 100, deshalb unterstützen wir das Fest gerne", sagt Arno Behnert vom Vorstand des Traditionsclubs.
Die Vorbereitungs-Arbeiten koordiniert hat das Archiv für Stadtteilgeschichte Köln-Nippes aus dem Bürgerzentrum Altenberger Hof.
Vor der Bezirksvertretungs-Sitzung stellte vor kurzem das Organisationsteam um Vereinsvorsitzende Kathi Bücken und Siegfried Pfankuche-Klemenz mit den Vertretern der Fest-Sponsoren ihre Planung vor.
Eine Auswahl der Programm-Höhepunkte:
Von 12 bis 18 Uhr gibt es auf der Wiese südlich des Kahnweihers ein großes Kinder-Aktivitätsprogramm – unter anderem mit Ponyreiten auf Tieren der Jugendfarm Wilhelmshof, einer Kinder-Eisenbahn, einem Kasperletheater – sowie zahlreichen Spielen und Überraschungen.
Als Sportereignisse finden freies Basketball-Spiel sowie ein offenes Boule-Turnier statt – wer den Sport noch nicht kennt, bekommt vom Nippeser Boule-Club eine Anleitung.
Das Jugendzentrum Lucky's Haus und der Freizeitverein Vorwärts Blücherpark haben auf dem von der Stadt instandgesetzten Fußballplatz im kleinen Tal an der Nordseite ein Kickerturnier in drei Altersklassen organisiert.
Außerdem präsentieren sich verschiedene Einrichtungen, Vereine und Initiativen aus dem Bezirk.
Auf der Wiese findet ebenfalls das Aktionskunst-Event "Kunstgeparkt" statt.
Um 15 Uhr startet die historische Führung des Nippeser Archivs für Stadtteilgeschichte durch die Parkanlage.
Von 14 bis 22 Uhr findet das Programm auf der großen Showbühne statt.
Unter anderem gibt es Hip-Hop, türkische Folklore, kreativen Kindertanz und Countrymusik; zugesagt haben auch der Männerchor St. Pius, Mama Afrika und das Alphorn-Trio Alp-Cologne.
Auch Rolly Brings & Bänd, die kölschen Harlequins, die Tsaziken und das Kunstorchester Kwaggawerk treten auf; als Höhepunkt gibt es einen Unplugged-Auftritt der Brings.
Alle Angebote sind kostenfrei; Speisen und Getränke gibt es außerdem zu familienfreundlichen Preisen. (bes)
Ein Ort zum Durchatmen
Als sich immer mehr Industrie ansiedelte, bekamen die Kölner ein "soziales Grün"
VON BERND SCHÖNECK
Bilderstöckchen / Neuehrenfeld. Der Gartenbaudirektor Fritz Encke hatte eine klare Idee für den Park zwischen Ehrenfeld und Nippes, der am 1. Juli 1913 den Bürgern übergeben wurde – und der mit einem Fest am Samstag, 6. Juli, seinen 100. Geburtstag feiert.
Ein Park für alle Schichten sollte es sein, mit vielen Spiel- und Sportflächen.
Denn das "soziale Grün" war ein Hauptthema des Gartenarchitekten, dem Köln viele weitere Parks – etwa Beethoven-, Rheinpark und den 2002 nach ihm benannten Fritz-Encke-Volkspark in Raderthal – zu verdanken hat.
" In den schnell wachsenden Stadtteilen Ehrenfeld und Nippes fehlte es schon bald an Licht, Luft und Grün
Er war seiner Zeit deutlich voraus – setzte sich doch die Philosophie der Stadtparks nicht nur als Zieranlage und Spaziergelände, sondern auch als Freizeit-, Spiel- und Sportfläche für Jung und Alt anderorts meist erst später durch.
An sozialem Grün mangelte es in dieser Ecke von Köln rasch:
Die 1888 eingemeindeten Vororte Ehrenfeld und Nippes waren durch Fabrik-Ansiedlungen seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts explosionsartig gewachsen; schon bald fehlte es an Luft, Licht und Grün.
Auch der Stadtrat war von Enckes Entwürfen begeistert:
Der symmetrisch angelegte, vielfältige Blücherpark werde "alle praktischen Bedürfnisse der Bevölkerung in der prägnantesten Form befriedigen, so dass man tatsächlich kaum in einer anderen Stadt in der Nähe eine Anlage von ähnlicher Großzügigkeit finden wird", so das Fazit einer Sitzung von 1910.
Noch offen war da der Name des Parks, der auf Ackerfläche entstanden war:
Hatte sich bei den Kölnern bereits während der Anlagezeit der Name Herkulespark eingebürgert, war der Rat uneins – auch die Namen Bürger-, Nord- oder Nibelungenpark standen zur Debatte.
Bis man sich entschloß, den Park nach einem deutschen Helden zu benennen.
Die Entscheidung fiel kurz vor der Eröffnung; der Rat votierte einstimmig für den preußischen General Gebhard Leberecht von Blücher – der knapp 100 Jahre zuvor beigetragen hatte, Napoleon zu besiegen.
Der Bau der Autobahn 57 in den 1960er Jahren veränderte auch den Park.
Ein im Südwesten angrenzender Streifen wurde geopfert; die Autobahn schnitt Neuehrenfeld vom Park ab, das seitdem nur noch über Fußgängerbrücken angebunden ist.
Da seit der Gebietsreform 1957 die A 57 den Stadtbezirk Ehrenfeld von Nippes trennt, gehört der Blücherpark seitdem zu Bilderstöckchen – was viele Neuehrenfelder bis heute nicht verwunden haben.
Als Ausgleich war zudem geplant, den Park bis zum Militärring zu erweitern, doch das gestaltete sich schwierig:
Die ehemalige Kiesgrube ist mit Deponiemüll verfüllt.
Es gibt kaum Mutterboden, zudem traten Methan und andere Gase aus.
Obwohl die Erweiterung nicht endgültig verworfen ist, ruhen die Planungen.
Nur die Holzbrücke über die Äußere Kanalstraße erinnert daran.
Betrachtet man die Besuchermassen, scheint der Blücherpark beliebt wie eh und je – auch dank vieler Bürger, die sich für ihn engagieren.
Die Kölner stimmten im Bürgerhaushalt 2008 für die Sanierung der Mauern und Brüstungen in der Mitte des Parks; 2012 wurde sie erfolgreich beendet.
Mehrere Helfer, Bürgervereine und Politiker kümmern sich mit viel Herz um die Schwäne, die seit einigen Jahren am Weiher leben und zu Publikumslieblingen geworden sind.
Auch der 2012 wegen Lärmauflagen aufgeflammte Streit um die Sommerabend-Partys am Kahnweiher, der die Zukunft des Kiosk-Betriebs bedrohte, ist nach Bürgerprotesten passé.
So ist an einem heißen Juni-Nachmittag die Terrasse voll besetzt; vor der Ausgabe stehen Kinder, die sich ein Eis von der Karte aussuchen.
Mehrere Gruppen genießen im schattigen Biergarten den Feierabend; die Sonnenhungrigen sitzen an den Tischchen direkt am See.
" Schöpfer Fritz Encke wäre wohl zufrieden mit seinem Werk
Von der Wiese dahinter steigen die Rauchschwaden der Griller gen Himmel; ein Mädchen paddelt im Boot über den Weiher, die Schwäne begleiten es mit etwas Abstand.
Und Fritz Encke?
Wenn er heute von oben auf den Blücherpark herunterschaut, wird er sicher mit seinem Werk zufrieden sein.
[Texte unter den Fotos von BERND SCHÖNECK / MARTINA GOYERT / PRIVAT / CHRISTIAN KNIEPS]:
- Blick auf den Kahnweiher im Blücherpark. Der Kiosk bietet neben einem Ruderboot-Verleih Getränke, Kaffee und Kuchen, sowie warme Gerichte von der Tageskarte. An den Sommer-Wochenenden finden hier auch Partys statt.
- Der Blücherpark auf einem Bild von 1928.
- Winterliche Impression aus dem Rosengarten.
- Der Rosengarten wurde umfassend saniert.
- Die Festorganisatoren und Sponsorenvertreter beim "Familienfoto" – darunter Kathi Bücken (Mitte, mit Plakat) und Siegfried Pfankuche-Klemenz (3. v. r.) vom Archiv für Stadtteilgeschichte Köln-Nippes, sowie der Nippeser Bezirksbürgermeister Bernd Schößler (Mitte, weißes Hemd) als Schirmherr.
- Die Schwäne am Kahnweiher sind zu Publikumslieblingen geworden.
- Der Fliegenpilz-Unterstand bietet einen Wetterschutz.
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