Kölner Stadt-Anzeiger – QUER DURCH KÖLN – Dienstag, 15. Oktober 2013 – Seite 30
Hemden, Hosen und Hausrat
EMMAUS Im Nippeser Lädchen wird seit 20 Jahren Gebrauchtes für einen guten Zweck verkauft
VON BERND SCHÖNECK
Nippes. Dass die Emmaus-Gemeinschaft 1993 nach Nippes kam, war ein glücklicher Zufall.
"Wir sind ganz überraschend zu unserem Lädchen gekommen", erinnert sich der Kölner Emmaus.Vorsitzende Willi Does.
Vorher gehörten die Räume einem Antiquitäten- und Büchersammler – der etwas überfordert schien.
Das Geschäft sei so vollgestellt gewesen, dass man fast nicht durch die Tür gelangen konnte.
"Da fragten wir ihn, ob wir den Laden übernehmen könnten – er war sofort einverstanden."
Nun feierte Emmaus mit allen ehrenamtlichen Mitstreitern, die Nachmittags-Dienste im Geschäft übernehmen oder hinter den Kulissen helfen, das 20-jährige Bestehen des Lädchens am Baudriplatz.
Auch Kölsch-Sänger Rolly Brings und Gitarrist Wolfgang Klinger kamen vorbei – und gaben vor den rund 40 Besuchern ein kleines Konzert.
Brings senior ist ein Meister darin, Stimmungen aufzunehmen und in seinen Liedern zu schildern – etwa in seiner "Willemsplatz-Nocturne" oder der "Siesta em Veedel".
"Wir bekommen fast nur sehr gute Klamotten, sogar Boss-Anzüge hatten wir schon dabei
Brigitte Hoßfeld
Bei Emmaus arbeiten auch wohnungslose Menschen, sie erhalten dafür ein Zimmer im Wohnheim am Lachemer Weg in Longerich und ein Taschengeld.
Einen Teil seiner Einnahmen leitet der Kölner Verband an die internationale Emmaus-Gemeinschaft für Hilfsprojekte in aller Welt weiter.
Im Laden gibt es Kleidung, Hausrat, Bücher, Tonträger – und vieles mehr.
Die Waren stammen von Bürgern, die nicht mehr Benötigtes im Laden abgeben.
"Wir bekommen fast nur sehr gute Klamotten, sogar Boss-Anzüge hatten wir schon dabei", betont die Ehrenamtlerin Brigitte Hoßfeld.
"Wer sich ein bisschen auskennt, findet klangvolle Namen wieder."
Geschätzt rund 320 000 Euro Reinerlös in 20 Jahren konnte Emmaus in Nippes erwirtschaften – auch dank des Entgegenkommens des Hauseigentümers bei der Miete.
Wichtig ist dem Team, dass es ein Laden fürs ganze Veedel ist: Nicht nur finanziell Schwache, sondern sämtliche Bürger kaufen hier ein.
Oder kommen einfach auf einen Klaaf vorbei.
"Es ist ein wichtiger Punkt zum Reden; die Leute werden Lustiges und Trauriges hier los", so Hoßfeld.
www.emmaus-koeln.de
Die Öffnungszeiten der Zweigstellen
Das Nippeser Lädchen am Baudriplatz hat montags bis freitags von 16 bis 18:30 Uhr geöffnet, samstags von 10 bis 14 Uhr.
Das Second-Hand-Kaufhaus im Niehler Industriegebiet, Geestemünder Straße 42, ist montags bis freitags von 15 bis 18 Uhr geöffnet, samstags von 10 bis 14 Uhr.
Seit 2012 betreibt Emmaus mit drei weiteren Kölner Selbsthilfevereinen außerdem die Gebrauchtmöbel-Halle Riehl, Barbarastraße 3-9.
Sie ist montags bis freitags von 10 bis 17:45 Uhr geöffnet.
Der Laden ist jedoch Inhabern eines Köln-Passes sowie Empfängern von sozialer Grundsicherung vorbehalten.
(bes)
www.emmaus-koeln.de
3 FRAGEN AN: Willi Does
Wir helfen auch in Indien und Osteuropa
Herr Does, Glückwunsch zum 20-jährigen Bestehen der Nippeser Emmaus-Filiale.
Warum sollte man seine ausrangierten Kleider, Haushaltsgeräte und Bücher gerade bei Ihnen abgeben?
WILLI DOES: Wer die Sachen bei uns abgibt, unterstützt sowohl die soziale Ökonomie im Stadtteil als auch die Projekte des Emmaus-Hilfswerks, etwa in Osteuropa und Indien.
Und Leute, die sonst langzeitarbeitslos wären, können wir durch unsere Arbeit integrieren.
Sie Stadt will selbst in den Altkleider-Markt einsteigen – und plant, stadtweit eigene Container aufzustellen.
Was halten Sie davon?
DOES: Wir beobachten die Entwicklung sehr kritisch – das wird gemeinnützigen Organisationen Probleme bereiten.
Wer Kleider abgibt, muss sich letztlich überlegen, ob er sie anonym in eine Tonne wirft – und sie dann vielleicht auf Märkten in aller Welt verkauft werden.
Oder ob er sie bei uns abgibt und etwas Gutes schafft.
Wir sind Lizenzträger des Textil-Dachverbandes Fairwertung – und achten etwa darauf, durch Kleiderexporte nicht die Märkte in den Empfänger-Ländern kaputt zu machen, wie es leider häufig passiert.
Emmaus ist auch mit einem Second-Hand-Laden im Industriegebiet Niehl vertreten, außerdem betreiben Sie gemeinsam mit anderen Trägern die Gebraucht-Möbel-Halle Riehl.
Wo liegen die Unterschiede?
DOES: Der Niehler Markt ist viel größer als das Nippeser Lädchen.
Dort gibt es allein schon eine 800 Quadratmeter große Möbel-Abteilung und ein riesiges Bücherhaus.
Auch in Riehl gibt es außer Möbeln auch Bücher und Haushaltssachen – dort dürfen aus sozialrechtlichen Gründen jedoch nur Köln-Pass-Inhaber und Personen in der Grundsicherung einkaufen.
Das Gespräch führte Bernd Schöneck
Willi Does ist seit mehr als 25 Jahren Vorsitzender der Emmaus-Gemeinschaft in Köln.
Zudem ist er Vorstandsmitglied des Verbundes gemeinnütziger Möbellager mit drei weiteren Vereinen.
[Texte unter den Fotos von Bernd Schöneck]:
Rolly Brings gab zur Feier des 20-jährigen Bestehens ein kleines Konzert im Emmaus-Lädchen.
Auch Stofftiere – wie dieser Elch – gibt es im Nippeser Lädchen. |