„Vergangene Zeiten werden lebendig
(c) by Kölner Stadt Anzeiger

Kölner Stadt-Anzeiger – QUER DURCH KÖLN – Dienstag, 31. Dezember 2013

Vergangene Zeiten werden lebendig

KONZERT Rolly Brings singt, liest und erzählt in Zollstock

VON PHILIPP HAASER

Zollstock. "Ich glaube, er war noch nie hier", sagt Jürgen Gellert, bevor er Rolly Brings auf die Bühne bittet.
Der Vorsitzende des Allgemeinen Bürgerverein Zollstock ist stolz auf die Veranstaltung mit dem Liedermacher, und der freut sich ebenso.
"Ein Ihrefelder in Zollstock – das könnt ihr euch in den Kalender eintragen", ruft Brings im ausverkauften Bürgerzentrum am Rosenzweigweg.
Grimms Märchen stehen auf dem Programm.
Brings singt, liest und erzählt – natürlich "op Kölsch" – und nimmt das Publikum mit auf eine Zeitreise in das Köln der Nachkriegszeit, in die Zeit vor dem Krieg, und manche Geschichten erzählen von noch früher.
"Ende der 1940er Jahre gab es einen Bruch.
Auf einmal sollten alle Hochdeutsch sprechen", sagt Brings und gibt damit das Thema des Abends vor.
Viele Zuschauer nicken bei der Erinnerung an ihre Kindheit.
In der Schule, im Elternhaus – "Sprich Hochdeutsch!" – haben viele Kinder zu hören bekommen.
Der Dialekt sei regelrecht diffamiert worden, meint Brings und erzählt zum Kontrast von den feinen Unterschieden in der Kölschen Sprachmelodie, die vor dem Krieg noch zahlreiche Schattierungen aufwies.
"Manche Menschen hatten so feine Ohren, dass sie am Singsang erkennen konnten, ob jemand aus Nippes, Ihrefeld oder Zollstock kam."
Und nach einer Weile hätten ganz feine Ohren gar die Straße und das Häuserkarree zuordnen können.
In den Textheftchen, mit denen viele Besucher die Liedtexte verfolgen, steht jeweils die hochdeutsche Übersetzung neben den Kölschen Texten von Brings' Songs.
"Ävver Ehr verstoht alles, richtich?" fragt er die Zollstocker.
Brings präsentiert den Zollstockern fast zwei Stunden Programm.
Er mixt die Grimmschen Märchen mit etlichen Kölner Mythen und Szenen aus seiner Kindheit in Ehrenfeld.
Der "Bröh vun dem Kahnes" (Brühe des Kahnweihers) im Blömeling (Blücherpark) entsteigen des Nachts Zombies und Nixen – besungen im nach dem Park benannten Song.
Brings erzählt, wie sich seine Eltern in dem Park zwischen Nippes, Ehrenfeld und Bilderstöckchen kennengelernt haben.

Freude über einzelne Worte

Ein anderer Song, "Marie em Rhing", handelt vom Mädchen eines Fischers, der seit Ostern vermisst wird.
"Singe Naache loch em Nehl om Strand" – der Barde nimmt die Zeile zum Anlass, an die Zeit zu erinnern, als Niehl noch ein Fischerdorf war.
Die Fischer fingen mit ihren schmalen Booten ("Naache") Aale, die sie räucherten und in der sechs Kilometer entfernten Stadt verkauften.
Die Zollstocker verfolgen Lieder und Geschichten [von Rolly Brings & Bänd *] aufmerksam, viele lesen die Texte mit, freuen sich über einzelne Worte, die sie lange nicht gehört haben.
In ihren Köpfen dürften die längst vergangenen Zeiten wieder lebendig sein.

[Text unter dem Foto von PHH]:
Ein Ihrefelder in Zollstock: Rolly Brings

[* Bänd:
Helmut Kraus (Bass – Gesang – Lesung)
Wolfgang Klinger (Gitarre – Gesang)]

 

 

Diese Seite ist Bestandteil von rollybrings.de