Kölner Stadt-Anzeiger – KÖLN – Montag, 27. Oktober 2014 – Seite 24
Hinrichtung ohne Prozess
HÜTTENSTRASSE Vor 70 Jahren wurden in Ehrenfeld elf Zwangsarbeiter öffentlich gehängt
VON CARL DIETMAR
Es sollte eine „Veranstaltung“ werden, die abschreckt:
Am 25. Oktober 1944 wurden am Bahndamm Ehrenfeld an der Hüttenstraße elf Zwangsarbeiter öffentlich gehängt – die Bevölkerung war in Aushängen aufgefordert worden, Zeuge der Hinrichtung zu sein.
Fotos der Exekution belegen, dass eine große Zahl von „Zuschauern“ dieser Aufforderung nachgekommen war.
„Bis dahin hatte die Gestapo ihre Mordtaten verheimlicht, in diesem Fall aber wollte man öffentlichkeitswirksam Vergeltung üben“, sagt der Kölner Anwalt Winfried Seibert, ein ausgewiesener Kenner der NS-Verbrechen in den letzten Kriegsmonaten.
Köln war im Herbst 1944 eine weitgehend zerstörte Stadt, in der sich eine Reihe von oppositionellen Gruppen gebildet hatte – Widerstandsgruppen wie das kommunistisch dominierte „Nationalkomitee Freies Deutschland“, Gruppen entflohener „fremdvölkischer“ Arbeiter, aber auch „Jugendbanden“, die sich dem Zugriff des NS-Regimes entzogen hatten und auf jede mögliche Art in den Trümmern zu überleben versuchten.
In diesen Monaten schufteten schätzungsweise 30 000 Fremdarbeiter unter menschenunwürdigen Bedingungen in Köln, zudem wird die Zahl von Kriegsgefangenen, die Zwangsarbeit leisteten, auf mindestens 20 000 geschätzt.
„Ostarbeiter“, zumeist Menschen aus der Sowjetunion und Polen, wurden von der Gestapo als „rechtlose Subjekte“ betrachtet.
Die Männer, die am 25. Oktober gehängt wurden, waren untergetaucht, man hatte sie beim „Plündern“ erwischt.
Sechs stammten aus der Sowjetunion und Polen, einer vielleicht aus Kroatien – von den anderen nimmt man heute an, dass sie Belgier oder Franzosen waren.
„Diesen Sachverhalt sollte die Gedenktafel, auf der nur Russen und Polen genannt werden, berücksichtigen“, sagt Seibert.
Die am Bahnhof Ehrenfeld angebrachte Tafel bezieht sich ohnehin hauptsächlich auf jene 13 Deutsche, die zwei Wochen später an gleicher Stelle hingerichtet wurden.
Eine neue Tafel ist offensichtlich zu teuer, eine Ergänzung würde auf eine Fehleinschätzung hinweisen.
Die Sache soll jetzt bei Bezirksbürgermeister Josef Wirges liegen.
[Text unter dem Foto von Julius Radermacher / BILD: STADTARCHIV]:
Ostarbeiter werden zur Hinrichtung in der Hüttenstraße geführt.
Kommentar von Rolly Brings:
Wir, die wir uns seit über 30 Jahren um das Andenken der 24 jungen Menschen sorgen, die am 25. Oktober und am 10. November 1944 am Ehrenfelder Bahndamm von der Gestapo ohne Prozess öffentlich exekutiert wurden, hätten keine Schwierigkeit damit, wenn eine Zusatztafel den Stand der heutigen Forschung verkünden und so die Angaben der Bronzetafel korrigieren und ergänzen würde.
Im Gegenteil: Eine Zusatztafel – in Zusammenarbeit mit dem NS-Dok Köln entworfen und künstlerisch zum bestehenden Ambiente gestaltet – würde den Entwicklungsprozess belegen, den wir als Gruppe in den Jahrzehnten durchgemacht haben, in denen wir uns mit Mahn- und Gedenkveranstaltungen dem Vergessen, dem Verdrängen, Leugnen und Verfälschen widersetzten – und es auch heute noch tun.
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