LOKALBERICHTE – Kölner Zeitung für sozialistische Politik – 5. Dezember. 2014 – Seite 5
„Arbeiterwohlfahrt = Viel Arbeit, wenig Wohlfahrt“
2 500 Kolleginnen beteiligten sich an Streikaktion bei der AWO NRW
19. November 2014, Köln Chorweiler.
Am Tag vor der 5. Tarifverhandlungsrunde für die 36 000 Beschäftigten der Arbeiterwohlfahrt (AWO) in NRW hatte ver.di heute zu einem ganztägigen Warnstreik aufgerufen.
Bis 11.00 Uhr reisen die Streikenden mit Bussen aus ganz NRW an.
Sie wollen zum Sitz des AWO-Bezirksverbandes Mittelrhein in Köln-Chorweiler ziehen.
Denn hier residiert auch der Vorsitzende des Arbeitgeberverbandes AWO Deutschland, Andreas Johnsen, in dessen Auftrag die Tarifverhandlungen auf Arbeitgeberseite geführt werden.
Nach einer kurzen Demonstration strömen die Kolleginnen und Kollegen auf den Hof der AWO Bezirksgeschäftsstelle.
Von der Protestkundgebung geht es in die Gegenrichtung auf den Pariser Platz, wo schon eine Bühne aufgebaut ist.
Die kölsche Musikgruppe Rolly Brings, Helmut Kraus und Klaus Strenge trifft mit ihren Liedern und Ansagen den Nerv der Aktion.
Es eröffnet Kollegin Britta Munkler vom ver.di-Bezirk Köln.
Heidrun Abel, Vorsitzende des Kölner ver.di-Bezirks, spricht kurz und knapp.
Sie freut sich über die Menge der Demonstranten.
„Arbeiterwohlfahrt = Viel Arbeit, wenig Wohlfahrt“, sagt sie.
2 500 Demonstranten habe die Polizei gezählt.
Das Gros der Demonstrierenden sind junge Frauen, die in Kindereinrichtungen und Altersheimen beschäftigt sind.
Sie wehren sich gegen die Abkoppelung vom TVöD, also vom Tarif, der in anderen Bereichen des öffentlichen Dienstes verbindlich ist.
Der Kampf richtet sich aber auch gegen politische Entscheidungen, denn soziale Einrichtungen würden unzureichend refinanziert, das sei schlechte Haushaltspolitik.
Elternvertreter von Kindertagesstätten kommen zu Wort.
Sie hätten für den Streik Verständnis trotz der Mühen anderweitiger Unterbringung ihrer Kinder.
Und wundern sich, dass die Erzieher weniger verdienen, obwohl ihre Beiträge so hoch wie in anderen Einrichtungen sind.
Es sprechen auch zwei alte Damen aus dem Marie-Juchacz-Seniorenzentrum des AWO-Bezirks Mittelrhein.
Eine sagt, dass eine Schwester 24 Zimmer zu betreuen habe, wo vorher zwei gearbeitet haben.
Die Leute seien nett, aber zu wenig, ihnen werde auch zu wenig Lohn gezahlt.
Sie selbst mache schon mit Rücksicht auf das Personal vieles selbst, dazu hätte sie aber nicht ins Heim ziehen müssen.
Die Schwestern seien oft völlig fertig, sogar kränker als die Alten selbst.
Aber auch die Pflegebedürftigkeit der Bewohner steige.
Eine Beschäftigte aus einem Altersheim in Düsseldorf zählt auf, was sie so alles machen müssen, unter anderem seien sie Brillen- und Gebissfinder.
Schließlich spricht Wolfgang Cremer, der Verhandlungsführer der Gewerkschaft für diesen Bereich.
Er berichtet vom Stand der Verhandlungen.
Heute Morgen habe er zu seinem Erstaunen von Gero Kettler, Geschäftsführer des Arbeitgeberverbandes der AWO Deutschland, noch vor dem Frühstück im Radio WDR 5 gehört, dass er mit ver.di schon klar sei, es gehe nur noch um die ver.di-Tage.
Die Gewerkschaft will drei anstelle von bisher zwei freien Tagen als Sonderleistung für ihre Mitglieder erkämpfen.
Tatsächlich aber gebe es noch gar kein Angebot, so Cremer.
Er kündigt an, dass ver.di sich auch nicht durch das nahe Weihnachten drängen lassen werde.
Notfalls würden sie ab 16. Januar streiken.
Aber er macht auch Kompromisslinien sichtbar.
Sie seien mit 75 Euro Einmalzahlung (statt 90) zufrieden, hätten das Angebot gemacht, die Zahlen des TVöD umzukehren, also zunächst nur 2,4 Prozent, dann drei Prozent zu fordern, damit sich die AWO auf die Erhöhung einstellen könne.
Immer wieder hörte man: „Marmor, Stein und Eisen bricht, unsere Streikbereitschaft aber nicht.“
Klaus Stein
Erneuter Warnstreik bei der AWO NRW – Am 10. Dezember ruht die Arbeit.
Die AWO NRW hat ein nicht akzeptables Angebot vorgelegt.
Das Angebot bleibt weit hinter dem Abschluss im öffentlichen Dienst zurück.
Eine Erzieherin in der AWO Kita verdient heute circa 2750 Euro, in der städtischen beträgt das Gehalt ab dem 1. März 2015 aber 3198 Euro.
Bei den Sozialarbeiterinnen beträgt der Unterschied ab 1. März 2015 fast 240 Euro im Monat.
Besonders pikant: Der AWO Bundesverband Berlin hat Ende November eine Abschluss mit den Arbeitnehmerinnen abgeschlossen, der den Verhältnissen im öffentlichen Dienst sehr nahe kommt.
Das ist für die Kolleginnen in NRW nicht zumutbar.
Deshalb wird am 10. Dezember 2014 wieder gestreikt.
Diesmal in Dortmund.
Sollte auch dieser Warnstreik keine Annäherung bringen, wird das Urabstimmungsverfahren eingeleitet.
Michael Weisenstein
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