Der Blues kommt aus Bayern
(c) by Kölner Stadt Anzeiger 13.05.2002


von VON MARTIN WOLTERSDORF

Über das „Vaterland“,
die Politiker und vieles mehr sang der Liedermacher in aller Ausführlichkeit.

Er wird alt. Jeder weiß es, doch wer will es ernsthaft wahrhaben? Er? Wir?
Und da Konstantin Wecker (53) Bayer ist, heißt es bei ihm, bajuwarisch abgebremst:
„I werd oid.“ Das Alter, sagt man, stimme einen mild. Nicht so den Sänger Wecker.
Er zürnt, er wütet, er giftet wie in alten Liedermacher-Zeiten, gegen den US-Präsidenten Bush und dessen Politik, gegen Scharon, gegen Krieg und Terror. Wecker mischt sich wieder ein. Der Blues kommt, da ist er sich sicher, aus Bayern. Warum? Weil nach so vielen Jahren unter Stoiber man automatisch den Blues kriegt. Den Begriff „Vaterland“ entblättert der stimmgewaltige Troubadour noch philosophisch:
„Das Land insgesamt kann niemals Vater sein“. Dann aber holt er zu einem verbalen Rundumschlag gegen die Mächtigen dieser „Vaterländer“ aus, in einer Neufassung der Anti-Faschismus-Hymne „Willy“, die Wecker jahrelang in den Giftschrank verbannt hatte.

Dann ist Pause und Zeit zum Entspannen. Anschließend bittet Wecker Rolli Brings auf die Bühne, einen hiesigen Freund. Auch er bekennt politisch Farbe, ungeschminkt und direkt. Und weiter geht's: Wecker geißelt die Banken, die am liebsten „ihr eigenes Geld schwängern möchten, um es zu vermehren“. Er lässt die „Börsianer tanzen“ und die „Waffenhändler“ im Tango sich biegen. „Ich habe viel zu viel Wut“, bekundete er unlängst. Doch die Wut ist kein anhaltender Schrei, sie schäumt da wie dort auf und verebbt wieder. Zwischendurch nämlich bedeutet so ein Konzert eben auch Show.
Da swingen Wecker und Band in einen betagten Hüsch-Song. Da wird der „Fachmann“ zu einer „Rap-Trash-Pop-Rock-Reggae“-Version. Und Wecker wäre nicht Wecker, ohne seine romantischen Lieder, die poetischen Ergüsse über Frühling, Sommer, Meer, Strand und die Liebe, „wo das Lächeln in kleinen Bissen“ zu ihm herabfällt, wo man die Mädchen mit Prinzen verdirbt, „und statt ins Leben zu sinken, wollen sie fliegen und ertrinken“. „Misch dich ein, sag »Nein«“, ruft Wecker den Fans zu, als wäre es das letzte Mal. Doch Schluss ist lange noch nicht: Fast eine Stunde dauern die Zugaben, erklatscht von einem enthusiasmierten Publikum. Es ist eine halbe Stunde vor Mitternacht, Wecker ist wieder älter geworden. Aber alt, nein, alt ist er nun wirklich nicht.

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